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182 BETTY KÜRTH Fragmente aus einem gotischen Schriftmusterbuch in der Universitätsbibl. zu Wiirzburg

Der Vogel steht auf dem Kopf eines grotesk sitzenden Tieres — wie aus der italienischen
Zeichnung zu entnehmen ist — eines Hirsches, während der unten abschließende Balken
von zwei ineinander verbissenen Tieren gebildet wird.

Gewiß fallen auch Verschiedenheiten auf: daß die Frau in der Würzburger Initiale
mehr en face gesehen ist, daß das Hündchen in ihrem Schoße fehit — (eine Frau mit einem
Tier im Schoß findet sich übrigens an derselben Stelle der Initiale d (Fig. 136) —- daß der
hinter ihr stehende Mann den Kopf zurückwirft und aus einer Flasche trinkt, daß das Ge-
weih des grotesken Tieres rechts hier ganz mißverständlich zu einem Halsband des Vogels
umstilisiert wurde, daß die Species der ineinander verbissenen Tiere geändert erscheint.
Aber all dies sind Abweichungen, die nur darauf hindeuten, daß zwischen den beiden Buch-
staben kein unmittelbarer Zusammenhang besteht. Daß jedoch, ungeachtet der roheren und
mißverstandenen Variante des Schriftmusterbuches, die beiden Darstellungen auf ein gemein-
sames Vorbiid zurückgehen, kann keinen Augenblick zweifelhaft sein.

Diese Tatsache ist nicht aliein ein neuer Beweis für die Entstehung des Alphabets in
Deutschland, sondern durch sie scheint nach dem Dargelegten auch meine seinerzeit zag-
haft geäußerte Vermutung, daß das Original dem böhmischen Kunstkreis entstamme, einen
neuen Stützpunkt gewonnen zu haben.
 
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