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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

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Schneider, Robert von: Statuette der Artemis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0007
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Robert von Schneider.

Die Statuette stammt aus Cypern, jener Insel, auf der in Folge ihrer geographischen Lage und ihrer
dadurch bedingten Schicksale, wie nirgends sonst auf hellenischem Boden, die heimische Kunstübung sich mit
orientalischen Elementen durchsetzt hat, und sie wurde in Kition gefunden, gerade der Stadt, in welcher
phönikische Herrschaft sich der vordringenden Hellenisirung gegenüber am längsten, bis auf Alexander
des Grossen Nachfolger standhaft behauptete. Es war im April des Jahres 1880, dass einige Erdarbeiter,
welche nach Bausteinen gruben, im Garten des Saparillas in Larnaka Skala mit den Spaten auf die
Gruppe gestossen waren. Sie stand fast aufrecht neben einem »zweimal ausgeschweiften« Piedestale
von ovalförmigem Grundrisse, das ohne Zweifel zu ihr gehört hat. Man verhehlte den Fund, zerstörte
den Sockel, raffte in aller Eile die daneben liegenden Bruchstücke, von denen manches hierbei in Verlust
gerathen mochte, zusammen, und schleppte die Statuette aus Furcht vor Entdeckung bei Nacht bald dahin
bald dorthin, bis man sie einem in Larnaka ansässigen Engländer für vierzig Pfund Sterling verkaufte.
Dieser Hess sie dem strengen, von der englischen Regierung gegen die Ausfuhr der Alterthümer erlassenen
Verbote entgegen heimlich nach Beirut und von da nach Europa bringen. Sie war vielleicht schon in Paris
angelangt, bevor sich die Kunde ihrer Auffindung auf der Insel verbreitet hatte. In anerkennenswerthem
Eifer, diese zufällige Entdeckung soviel als möglich wissenschaftlich auszunutzen, begab sich Herr Max
Ohnefalsch-Richter in Nikosia, sobald er davon vernommen, nach Larnaka. Er grub an der betreffenden
Stelle nach, und fand die Reste eines mit Stuck und Fresken verzierten Raumes, in welchem die Statuette
aufgestellt war.1

Als letztere im October 1884 in Wien ankam, war ihr rechter Arm sowie das Idol zweimal gebrochen.
Diesem fehlte der linke Arm, dessen Hand eine Falte des Gewandes ergriffen hatte, jener die beiden
Hände. Ihre Bruchflächen sind — ich weiss nicht ob noch auf Cypern oder erst in Paris — glatt-
geschliffen worden. Der linke Theil des Schädels war schon ursprünglich aus einem eigenen Marmor-
stücke mit grosser Sorgfalt angesetzt. Professor Zumbusch hatte die Güte, die Zusammenfügung der
gebrochenen, aber genau aneinander passenden Theile, sowie die nur in Gyps ausgeführte Ergänzung
des linken Armes des Idols und der Ränder der wohl schon ursprünglich ovalförmigen Plinthe zu besorgen.
Ein eiserner Zapfen, der in der rechten Schulter steckte und von dessen Rost die umliegenden Partien
des Steines sich braunroth gefärbt hatten, diente zur Befestigung des aus einem gesonderten Stücke Marmor
gearbeiteten rechten Armes und wurde durch einen bronzenen ersetzt.

Die Deutung der Hauptfigur unserer Gruppe ergibt sich aus dem Bilde der Artemis auf Kupfer-
münzen der phrygischen Stadt Eukarpia.2 Dieselben zeigen in unverkennbarer Uebereinstimmung mit
der Statuette die Göttin aufrecht stehend in Vorderansicht, den Kopf aber rechtshin wendend, in langem,
unter den Brüsten gegürteten Chiton und mit einem um den Körper geschlungenen und über den linken
Vorderarm geworfenen Mantel; neben ihr rechts steht das alterthümliche Idol. In der linken Hand hält
sie den Bogen, und mit der Rechten langt sie nach dem am Rücken hängenden Köcher, um aus dem-
selben einen Pfeil zu ziehen. Ueberdies ist auf den meisten als Gegenstück des Idoles links ein auf-
blickender Hirsch hinzugefügt. Ich stelle im Nachfolgenden die mir bekannten Prägungen zusammen,
welche mir dank der von den Vorständen der öffentlichen Sammlungen in London, Berlin und Kopen-

■ Diese die Auffindung der Statue betreffenden Angaben entnehme ich zum grössten Theile einem noch nicht gedruckten
Aufsatze des Herrn Ohnefalsch-Richter über die Alterthümer von Kition und Salamis, den mir der Autor freundlichst
zur Benützung überliess (vergl. Revue archeotogique, 3« serie, tome VI [1885], p. 344). Die ersten Notizen über den werth-
vollen Fund, begleitet mit in Holz geschnittenen Abbildungen der Gruppe, welchen zu Beirut gemachte photographische Auf-
nahmen zu Grunde lagen, brachten mehrere illustrirte Journale: L'Illustration vom 4. September, Wiener Neue illustrirte
Zeitung vom 26. September, Leipziger Illustrirte Zeitung vom 9. October, Graphic vom 20. November 1880; ferner Heimat
1881, Nr. 22. Nach derselben Vorlage die Lithographie in der Archäologischen Zeitung, Bd. XXXVIII (1881), Taf. XVII. I.

2 Die Lage von Eukarpia vermochte W. M. Ramsay auf seiner Reise im Jahre 1883 mit Bestimmtheit zwischen den
Dörfern Mentesch, Maghajil und Jle Mesjid am Abhänge des Ak Dagh, in einem Seitenthale des Sanduklu Tschai (Glaukos), in
gleicher Entfernung (20 Kilom.) von Homa (Seiblia) und Sandukly (vier Meilen nordöstlich Kara Sandukly, das antike Brouzos)
zu ermitteln, Journal of hellenic studies, vol. IV, p. 430. Herr Professor Kiepert in Berlin hatte die zuvorkommende Güte,
mir diese Situirung durch eine Kartenskizze zu erläutern.
 
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