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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

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Entwurf zu einer Fruchschale von Joseph Tautenhayn
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0392
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ENTWURF ZU EINER FRUCHTSCHALE VON JOSEPH TAUTENHAYN.

ie auf den Tafeln XXIV und XXV vorgelegten Entwürfe einer Fruchtschale sind
von Professor Tautenhayn erfunden und in Wachs modellirt worden. Der Künstler
wählte sich zum Gegenstande seiner Darstellungen den Mythos vom Raube und der
Rückkehr der Persephone (Proserpina), und er folgte der attischen Sage, welche mit
demselben die Stiftung des Ackerbaues verknüpfte. Als Demeter (Ceres) — so lautet
die Erzählung — nach der geraubten Tochter suchend auf der Erde herumirrte, kam
sie müde nach Eleusis, und fand dort, obgleich von Niemandem erkannt, gastfreund-
liche Aufnahme im Hause des Königs Keleos. Zum Lohne hiefür lehrte sie dem Sohne desselben, Tripto-
lemos, den Anbau des Getreides. Das Bild dieses eleusinischen Nationalheros nimmt die Mitte der Schale
ein. Er ist als Jüngling dargestellt, sitzend auf dem geflügelten Wagen der Göttin, um dessen Speichen
sich die Schlangen winden, mit dem Zepter in der einen Hand, in der andern mit der Gabe der Demeter,
welche er im Triumphe über die Erde verbreitet.

Zeigt sich der Künstler in diesem Rundbilde inspirirt von den Werken der attischen Schalenmaler,
so folgte er denselben auch darin, dass er um jenes wie um den formellen, so auch um den geistigen Mittel-
punkt alle übrigen Darstellungen zu einer einheitlich in sich geschlossenen, kyklischen Composition grup-
pirte. Die Bilder, welche aber an den griechischen Thonschalen aussen angebracht sind, sind es hier im
Innern der Schüssel, und da an derselben die Henkel wegfallen, so ergab sich für die Darstellungen von
selbst die Scheidung von rechts und links. Ueber und unter dem Mittelbilde bezeichnen der thronende
Zeus und der auf gewaltigen und zerklüfteten Felsblöcken sitzende Orkus, letzterer eine Gestalt von des
Künstlers ureigener Erfindung, gleichsam die Pole, zwischen welchen sich die beiden Compositionen,
und zwar trotz aller Responsion der Hauptlinien in entgegengesetzter Richtung bewegen.

Die Hälfte rechts vomZeus nimmt die Darstellung des Raubes derPersephone ein. Hades hat das wider-
strebende Mädchen ergriffen und hält es mit einer Hand fest. Umsonst sucht es sich mit allen Kräften los-
zumachen und erhebt, nach Hilfe langend, die Linke. Der Gott ist auf den Wagen gestiegen und hat mit
der freien Hand die Zügel seines Viergespanns erfasst, das, schnaubend und sich bäumend, seinen Weg
durch die Wogen des Meeres nimmt. Das ungewohnte Geräusch hat eine Nereide aufgescheucht. Sie
taucht aus den Wellen empor, hält ausblickend die Hand über die Augen, und einen Schrei der Verwun-
derung oder des Mitleids ausstossend flieht sie von dannen. Ueber den Pferden schweben Eroten und
leuchten mit Fackeln dem unterirdischen Könige in seine dunkle Behausung. Auf den Hilferuf der Ge-
raubten eilen ihre jungfräulichen Schwestern, die vollgerüstete Pallas (Minerva) mit gezückter Lanze und
die hurtige, mit dern Bogen bewehrte Artemis (Diana), eben im Begriffe, einen Pfeil aus dem vollen Köcher
zu ziehen, herbei. Ihnen stellt sich Aphrodite (Venus) entgegen. Schwerlich würde es ihrem begütigenden
Zuspruch gelingen, das Ungestüm der kriegerischen Göttinnen zu hemmen, doch schon ist Zeus bereit,


 
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