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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

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Schneider, Robert von: Statuette der Artemis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0006
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STATUETTE DER ARTEMIS.1

Von

Dr. Robert Ritter von Schneider.

' rotz der Fülle ihrer Entdeckungen haben die umfassenden Ausgrabungen des letzten
Jahrzehnts gleichwohl nur wenige Werke zu Tage gefördert, welche die Merkmale
der griechischen Sculptur in der Blüthe ihrer Vollkommenheit so unverkennbar an
sich tragen, wie die auf beiliegenden Tafeln abgebildete Statuette der Artemis. Sie ist
aus weissem Marmor, der auf irgend einer Insel des griechischen Archipels gebrochen
zu sein scheint, und misst ungefähr 80 Cm. in der Höhe. Die Göttin, mit dem langen
ügegürteten Chiton und einem zusammengerollten Obergewande bekleidet, stützt den
linken Ellenbogen auf ein Idol, das auf einer cylindrischen Basis steht, und in bewusster Nachahmung des
alterthümlichen Styles an die sogenannten Spesfiguren erinnert. In der Figur der Göttin selbst paart sich mit
der Anmuth und dem Liebreize ihrer Erscheinung eine seltene Strenge im Wurfe ihres Kleides, und lässt
dem ersten Blicke ihren Zusammenhang mit dem hohen Style der griechischen Kunst erkennen. Zwar
ungleich dem praxitelischen Hermes ist in dieser Gruppe nicht das eigenhändige Werk desjenigen Künstlers
erhalten, dem der Ruhm ihrer Erfindung gebührt, sondern nur eine Wiederholung, und — irre ich nicht —
zudem eine solche in verkleinertem Massstabe: deutlich genug ist aber derselben das Gepräge griechischer
Arbeit aufgedrückt, und sie stellt sich somit bestimmt den römischen Copien, die uns noch immer die
Anschauung hellenischer Kunstgebilde in so vielen Fällen vermitteln, gleichsam als eine reinere Quelle, als
eine glaubwürdigere Urkunde für deren Verständniss entgegen.

' Diese Statuette wurde über Allerhöchst genehmigten Antrag Seiner Excellenz des Herrn Obersjkümmerers'Grafen zu
Trauttmansdorff-Weinsberg im Monat November 1884 für die kaiserlichen Haussammlungen angekauft. a. d. R.

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