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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

DOI Artikel:
Ilg, Albert: Die Werke Leone Leoni's in den kaiserlichen Kunstsammlungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0090
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Die Werke Leone Leoni's in den kaiserlichen Kunstsammlungen. -tr\

Erscheinungsform, welche um diese Zeit wie ein Correctiv auf die titanische des Michelangelesken Stiles fol<n
So sehr alle die hervorragenden Maler und Plastiker der Periode im Studium des grossen Buonarroti
heranwuchsen und dieser Schulung zu Dank verpflichtet waren, so huldigen sie doch gleicherweise
insgesammt einer Tendenz, welche den Furor seiner Weise zu meiden und, wo immer möglich einen
feinen Anstand, ein gemässigtes Leben an Stelle der dämonischen Kraftäusserungen zu setzen bestrebt ist
ein Streben, welches in der geistigen Luft lag, und sich damals überall, z. B. in der Schule von Fontaine-
blau, ähnlich manifestirt. Die Gestalten des grossen Florentiners haben sich nicht blos einige Reduction
ihrer strotzenden Kraftfülle und Vereinfachung der anatomischen Durchführung gefallen lassen müssen,
sie sind nicht blos aus Personifikationen von Urgewalten und Dämonen zu schlanken, feinen Normal-
wesen geworden, sondern es ist auch auf ihren regelmässigen Gesichtern anstatt des pro metheischen Trotzes
nunmehr nur reine Ruhe zu erblicken, freilich nicht eine Ruhe der wirklichen Leidenschaftslosigkeit,
sondern jene der niedergehaltenen Bewegungen des Innern, deren Ausdruck die Würde und Vornehmheit
der Erscheinung stören müsste. Nur auf den weiblichen Mienen lagert zuweilen ein leises Lächeln, das
sich aber gleichfalls wohl in Schranken hält und nur formal seine Descendenz von jenem himmlischen
Lächeln Correggiesker Frauenköpfe ableiten darf, von dessen naiv-wahrer Innerlichkeit es doch sehr entfernt
ist. So blieb denn von den Idealen der vorausgegangenen Epoche wohl die fierezza, aber nicht jene der
Genialität und urthümlichen Kraft, sondern die der feineren Sphäre des Lebens, des socialen Vorranges.

In Leoni speciell spricht sich die Eigenart der Kunstepoche, wie sie hier zu charakterisiren versucht
wurde, noch nicht so vollständig aus, noch bei Weitem nicht so decidirt wie bei dem jungen Fiammingo
— Giovanni da Bologna — den er in Florenz bei der Arbeit gesehen hatte; der ältere Künstler hält sich
noch mehr an die Kraft seiner Vorbilder, überdies hat er individuell eine gewisse Härte in der Composition
und kennt jene salonmässige Grazie noch weniger, wozu ihm, bei dem Umstände, dass er selten ideale
weibliche Gestalten gebildet, auch der eigentliche Anlass mangelt. Als Porträtist verräth er eine scharfe
Realistik, welche sehr bestimmt auf den Einfluss Tizian's hinweist, dem er auch im Leben sehr nahe stand.
Höchst charakteristisch bleibt für ihn aber ein Element, in dem immer und immer wieder, auch in den
monumentalsten seiner Sculpturen, das ursprüngliche Gewerbe des Mannes zu Tage tritt — der Gold-
schmied. Ihn verräth nicht allein die technische Durchbildung seiner Bronzen und Medaillen, sondern
auch der stäte Hang nach Anbringung eines detaillirten Ornamentwerkes, wozu er an Harnischen und
Gewändern reichste Gelegenheit findet. Auch in dieser Zuthat erweist sich seine Art zuweilen als un poco
studiata in der Gesammthaltung des so reich geschmückten Werkes, wennauch im Detail meist der höchste
und feinste Geschmack bewiesen ist. Manche seiner grossen Gruppen haben etwas Herbes und Nüchternes;
die porträtmässigen Frauenbilder hinwieder, vor Allem die herrlichen Statuen der Kaiserin, ein grossartig
weihevolles Element von Stimmung, welches sie auf das Niveau von Kunstschöpfungen ersten Ranges
erhebt. Es ist eine merkwürdige, hochinteressante und ganz originelle Individualität, voll hoher geistiger
Kraft und Meisterschaft, so dass die ganze Verranntheit der Modeschwärmerei für die alleinige Herrlichkeit
des Quattrocento dazu gehört, um wie Perkins sagen zu können: son style etait maniere et corromptu!

In der II. Gruppe der kaiserlichen Kunstsammlungen befinden sich drei Bronzegüsse, welche hier
zum ersten Male im Zusammenhange mit der Thätigkeit Leoni's erörtert werden, da sie die engsten
Beziehungen zu seinem Schaffen haben. Es sind dies: eine Halbfigur Kaiser Karls V., eine Büste Marias,
Königin von Ungarn, und ein Relief mit dem Brustbild des genannten Kaisers.

Der Halbfigur (Taf. VII) habe ich in diesen Blättern bereits flüchtig gedacht,1 jedoch mit irriger Bezeich-
nung des Urhebers, welchen Irrthum ich hier zu berichtigen habe. Es ist in meiner Abhandlung über Adrian
de Fries an jener Stelle mitgetheilt, aufweiche Weise eine Anzahl hervorragender Kunstwerke, die dereinst
der Kunstkammer Rudolphs II. im Schlosse zu Prag angehört hatten, bei deren Plünderung von den

i Jahrbuch, I. p. 124.
 
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