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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

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Frimmel, Theodor von: Die Bellerophongruppe des Bertoldo
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0105
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Die Bcllerophongruppc des Bertoldo. nT

bezeichnet.1 Als Florentiner bekennt er sich selber auf der Inschrift einer Medaille. Dass er ein Schüler
Donatello's gewesen, wird von Vasari mehrmals erwähnt und ist noch nicht angezweifelt worden, obwohl
seine Werke diese Schülerschaft nicht eben auffällig bestätigen. Weder der Donatello, der in seinem
Stiacciato sich der Technik antiker Gemmen anschliesst, noch der Donatello, der sich einem ausgespro-
chenen Realismus hingibt, ist für Bertoldo's Stil massgebend gewesen. Was sie beide gemein haben, den
Sinn für lebhafte Bewegung, das ist mehr etwas von vornherein Gegebenes, als etwas, das einen Schul-
zusammenhang beweisen könnte. Bertoldo ist allerdings auch Nachahmer der Antike; diesen Zun at,er
kann er der Zeit überhaupt, in welcher er lebte, verdanken; nicht gerade von Donatello muss er ihn ererbt
haben, wenngleich diess am wahrscheinlichsten ist. In den letzten Jahren des Donatello, der 1466 gestorben
ist, war Bertoldo dessen bevorzugter Schüler, dem die Vollendung der Reliefs an der Kanzel von San
Lorenzo zu Florenz anvertraut wurde. Bertoldo's Biographie bleibt dann wieder dunkel bis in die letzten
Jahre seines Lebens.

Ein Brief von 1479, mitten in den Nöthen des Krieges in gereizter Stimmung verfasst, übrigens
launig geschrieben, den Bertoldo an den kunstliebenden Medicäer gerichtet hat, ist uns im Archivio Mediceo
erhalten.2 Das Schreiben ist ein wohl ironisch gemeintes Bittgesuch um die Stellung eines Küchen-
meisters.3 Am Abende seines Lebens finden wir den Künstler mit Padua in Verbindung. Möglicherweise
war er schon mit Donatello dahin gekommen, als dieser 1443 des »Gattamelata« wegen nach Padua über-
siedelte. Erst im Jahre 1483 aber wird von einer Thätigkeit des Bertoldo in Padua ausdrücklich gesprochen.
Gonzati+ berichtet, Bertoldo hätte zwei Reliefs mit Jonas, der ins Meer geworfen wird und mit dem Durchzug
durchs rothe Meer für den Santo zu Padua anfertigen sollen. Seine Güsse hätten aber wahrscheinlich nicht
befriedigt, denn Vellano, ein anderer Schüler des Donatello, erhielt bald darauf den Auftrag, die Reliefs
mit jenen Darstellungen auszuführen. Die alternde Hand des Bertoldo oder der Localpatriotismus der
Paduaner mag diese Zurückweisung verschuldet haben.

Im Jahre 1485 wird Bertoldo im Gefolge des Lorenzo Magnifico bei Gelegenheit einer Reise nach
Morba erwähnt.5

Alt geworden, wird der Künstler vom Mediceer versorgt, der ihn zum Aufseher der Kunstsamm-
lungen im Garten bei San Marco und zum Lehrer der jungen Talente macht, die er in jenem Garten"
heranbilden liess. — Dort hat auch der junge Michelangelo die Lehren des Bertoldo vernommen.7

fu nel guardino de Medici in sulla pia^a di San Marco; nel quäle seguitando d'imparare Varte sotto Bertoldo scultore, prese
amici\ia e tanta stretta familiaritä con Michelangelo Buonarotti, chepoi fu sempre da lui molto amato . . . — I.e Monnier
XII, 162 f. (Milanesi, VII, 141 f-) In der v!ta des Michelangelo: Teneva in quel tempo il Magnifico Lorenzo de'Medici nel suo
giardino in sulla pia\\a di San Marco Bertoldo scultore, non tanto per custode o guardiano di molte belle anticaglie che in
quello aveva ragunate e racoltc con grande spesa, quanto perche, desiderando egli sommamente di creare una scuola dipittori
e di scultori eccelenti, voleva che elli avessero per giuda e per capo il sopradetto Bertoldo, che cra diseepolo di Donato; cd
ancora che e'fasse si vecchio, che non potessepiü operare, era nientidimanco maestro molto pratico e molto reputato, non solo
per avere diligentissime rinettato il getto de'pergami di Donato suo maestro, ma per molti getti ancora che egli aveva fatti
di bron^o di battaglie e di aleune altre cose piecote, nel magisterio delle quali non si trovava allora in Firen^e Chi lo avan-
^asse . . . Wenige Zeilen weiter unten wird bezüglich des jungen Torrigiano erwähnt: . . . lavorava di terra certc figure
tonde, che da Bertoldo gli erano State date . . .

1 Gonzati, La basilica di St. Antonio di Padova, Padua, 1852, I, S. 136 und XC.

2 Gualandi, Nuova raecolta di lettere sulla pittura, scultura ed architettura .. ., Bologna, 1844,1, S. 14. (Brief vom 29. Juli.)
Vergl. auch Milanesi e Pini a. a. O.

3 Aus dem Anfange des Briefes können wir, nebstbei bemerkt, den Schluss ziehen, Bertoldo sei, wie ja zu erwarten, auch
in den Lehren der Perspective bewandert gewesen und der Architektur nicht ferne gestanden. Denn er schreibt: »In questo
punto ho gettato via ceselli, iscarpelli seste, isquadra, cera, fuscelli, architettura, prospettiva . . .« Neben den Gegen-
ständen, die den Ciseleur und Bildhauer anzeigen, liest man also auch von Baukunst und Perspective.

4 Gonzati, a. a. O.

5 A. de Reumont, Lorenzo de' Medici, 2. Auflage, II, 348 (nach Del Lungo).

6 Vergl. Vasari, passim. Condivi, Leben des Michelangelo (Eitelberger's Quellenschriften, VI, S. 13). A. de Reumont,
Lorenzo de' Medici, 2. Auflage, II, 167 f. E. Müntz, Precurseurs, S. 167 ff. und 187 ff.

7 Es ist nicht unwahrscheinlich, dass der jugendliche Schüler in seinem unvollendet gelassenen Relief mit der Schlacht
der Kentauren und Lapithen die Ueberladung mit Figuren seinem Lehrer verdankt, den wir als den Schöpfer eines ähnlich über-
ladenen Reliefs kennen lernen werden. Eine Anlehnung im Einzelnen wird sich wohl kaum nachweisen lassen.

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