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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 5.1887

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Frimmel, Theodor von; Klemme, Joseph: Ein Statutenbuch des Ordens vom goldenen Vliesse
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https://doi.org/10.11588/diglit.5532#0286
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2Öz|. Dr. Theodor Frimmel und Joseph Klemme.

Die Foliirung beginnt erst mit dem eigentlichen Pergamentbande, dessen Inhalt in dem Folgen-
den beschrieben werden soll.

Fol. i zeigt ausser den fein vorgerissenen rothen Zeilen und Begrenzungslinien zur Hilfe für den
Schreiber und ausser dem ganz modernen Abdruck des Stempels der Hofbibliothek nichts Bemerkens-
werthes. Erst auf Fol. 2 oben beginnt die Schrift und zwar mit der Inhaltsangabe von 65 kurzen Artikeln
des Buches: »Sensuit la thable de ce present liure des ordonnances de la thoison dor.«1 Dieses Register
reicht bis Fol. 5.

Die sorgsam ausgeführte Schrift trägt durchaus den Charakter der spätgothischen Schrift, die in
Frankreich und in den Niederlanden zu Beginn der Neuzeit im Gebrauch war. Kürzungen sind nur in
den seltensten Fällen angewendet.2

Eine Menge von kleinen, nicht viel über einen Quadratcentimeter messenden Initialen bezeichnet
durch das ganze Buch hindurch den Anfang kleinerer Abschnitte. Diese Initialen sind einfache in Malgold
ausgeführte gothische Majuskeln auf zinnoberrothem oder ultramarinblauem Grunde. Grössere Abschnitte
werden mit etwas grösseren, etwas reicher gestalteten Initialen begonnen, die meist aus braunem, mit Gold
gehöhtem Astwerk gebildet sind und gleichfalls in rothen oder blauen Feldern stehen.

Von Fol. 5 bis 6' folgt die Inhaltsangabe von weiteren 28 Artikeln: »Sensuit la table et ordonnance
des IUI officiers appertenans a la dicte ordre.«

Fol. 7 beginnt, umgeben von einer reichen Randverzierung, die Einleitung, die sich auf die Gründung
des Ordens3 durch Philipp den Guten, Herzog von Burgund zu Brügge am 10. Jänner 1430 (1429 alten
Stils) am Tage der Vermählung Philipps mit Elisabeth von Portugal bezieht. Die hier beginnende Schrift
stammt von einer der vorigen sehr verwandten Hand.

Die Randverzierung umgibt den Text der Seite in Form eines rechteckigen Rahmens, dessen untere
und äussere Leiste breiter sind als die innere und obere. Die breiteste Leiste findet sich unten, die schmälste
innen.4 Als dominirendes Ziermotiv ist hier, wohl in Bezug auf Andreas als Schutzpatron des Vliessordens,
das schräge Kreuz, Andreas-Kreuz, gewählt, das im Unterrande einschliesslich der Ecke dreimal, im
Aussenrande viermal vorkommt. Oben und innen (also in den schmalen Leisten) vertreten Aeste in Zick-
zackstellung die Kreuze. Die Balken sind in hellem Rothbraun ausgeführt und vielfach mit Pinselgold
gehöht. Die zwischenliegenden farbig gefüllten Felder zeigen Thiere und Pflanzen verschiedenster Art
in realistischer Auffassung, meist je einen Gegenstand in einem Felde. Z. B. finden wir in dem drei-
eckigen, dunkel zinnoberroth gefüllten Felde links unten eine kaum aufgeblühte weisse Heckenrose. In
anderen Feldern sieht man eine Bärenraupe, einen Nachtfalter, eine gelbe Schnecke, eine Eule5 (im breiten
Unterrande), einen Pfau, dann wieder Erdbeere, Faullieschen, Vergissmeinnicht u. A. Das rautenförmige
Feld etwas links von der Mitte des Unterrandes ist durch folgende Darstellung ausgezeichnet: im Grase
liegt ein Löwe,6 der an einem um den Nacken gelegten schwarzen Bande einen Schild mit dem Wappen
Philipps des Guten trägt.7 (Höhe der Randverzierung 0-246, Breite 0-173.)

1 Diese Ueberschrift, sowie einige andere in unserem Codex, ist durch Ausführung in Roth hervorgehoben (andere auf
Fol. 5 a, 30a, 43 b, 56 a u. s. w.), Im Ganzen wird sehr massiger Gebrauch von rothen Ueberschriften gemacht, denn sie fehlen
z. B. gerade zu Beginn grösserer Abschnitte. Meist sind es kurze Uebergangsformeln oder dergleichen (z. B. »cest assavoir«,
» et premiers « etc.), die roth geschrieben sind. Roth erscheinen ferner die Nummern der Capitel in den Verweisen des Inhalts-
verzeichnisses.

2 Neben dem gewöhnlichen Horizontalstrich oder der Wellenlinie über der Silbe für ausgebliebenes n und m kommen
fast nur vor: chapre für chapitre, chlr für Chevalier, dte für dite, chun für chacun. Im Verlauf des Textes hie und da eine
leicht verständliche Kürzung für Seigneur, notre u. s. w.

3 Vergl. hierüber besonders: J. de Pinedo y Salazar: Historia de la insigne Orden del toyson de oro, Madrid 1787.
Erstes Capitel, und Baron de Reiffenberg: Histoire de Vordre de la Toison d'or, Brüssel 1830, Einleitung.

4 Es ist dies die durchaus gewöhnliche allgemeine Form der Randverzierungen in niederländischen Bilderbüchern ver-
schiedenster Art vom Ende des XV. und Anfang des XVI. Jahrhunderts.

5 Die Eule ist wohl eine Anspielung auf die Helmzier der alten Herzoge von Burgund.

6 Löwe von Brabant.

7 Beschreibung und Erklärung des Wappens gibt der zweite Theil der vorliegenden Abhandlung.
 
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