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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 13.1892

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I. Theil: Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Typare und Bullen in der Antikensammlung des Allerhöchsten Kaiserhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.5884#0063
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Typare und Bullen in der Münz-, Medaillen- und Antikensammlung des Ah. Kaiserhauses.

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Im byzantinischen Reich ist dagegen der Gebrauch von Silberbullen sowohl durch Schriftsteller
(siehe Heineccius, a. a. O., S. 42) als auch durch erhaltene Stücke beglaubigt; freilich sind die letzteren
ausserordentlich selten.

Schlumberger sagt in seiner Sigillographie de l'Empire byzantin, p. 9, dass er nur zwei oder drei
Exemplare kenne, welche alle eigentlich nur mit einer dünnen Schicht gewalzten Silberblechs über-
zogene Blei bullen wären. Der französische Forscher hat eine solche Bulle von Michael I. Komnenos,
Despot von Epirus (zu Beginn des XIII. Jahrhunderts) im Musee Archeologique, T. II, publicirt (vgl.
Sigillographie, p. 425); von dieser sind jetzt, wie er selbst angibt, die zur Zeit der Veröffentlichung noch
deutlich sichtbaren Spuren des Silberüberzuges gänzlich verschwunden; das Stück ist eben dem Oxy-
dationsprocess, dem sogenannten »Auswachsen« des Bleies zum Opfer gefallen, wie dies das Schicksal
aller Objecte aus diesem Metall ist, welche durch Entfernen des entstandenen »Bleizuckers« und einen
Wachs- oder Firnissüberzug nicht genügend geschützt wurden.

Eine zweite hieher gehörige Bulle hat Sabatier (Iconographie d'une Collection choisie de 5000 me-
dailles etc., Petersburg 1847—1860, pl. XXV, 14) publicirt, jedoch in einer sehr ungenauen Stichrepro-
duction und überdies mit irriger Zutheilung an den byzantinischen Kaiser Michael VIII. Paläologos.
Schlumberger (a. a. O., S. 428) hat sie ebenfalls jenem oben genannten Despoten von Epirus zuerkannt.

Das gleiche Stück ist noch in einem zweiten Exemplar, welches mit blauseidener Schnur an einer
undatirten griechischen Urkunde des Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchives hangt, vorhanden. In der
letzteren bestätigt Michael den Ragusanern die bisher genossenen Begünstigungen im Verkehr und
Handel.'

Fig. 18. Silberbulle Michaels von Epirus im k. und k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien.

Die Bulle besteht aus zwei getriebenen Plättchen von feinem Silberblech im Durchmesser von
4 Cm. und ist von tadelloser Erhaltung. Der Avers zeigt den Despoten in byzantinischem Ornat, mit
Labarumscepter und dem Reichsapfel, der ein griechisches Kreuz trägt. Die Legende lautet: + eni ■ Ml-
XAHACU • A€ • KOMNHNO ■ AOYKAN • im Felde: MIXAHA • KOMNHNOC ■ O . AOYKAC ■ Sabatier hat
also, was Schlumberger, a. a. O., bezweifelte, die Worte richtig gelesen. Die Rückseite trägt die Dar-
stellung des Erzengels und Namenspatrons des Fürsten, Michael, mit Lockenhaar und grossen Schulter-
flügeln, völlig gerüstet auf Wolken stehend und das Schwert ziehend, in sehr feiner, an die besten
Zeiten der byzantinischen Kunst erinnernder Ausführung. Die Umschrift besagt: P1AP6MBOAH • KAOA-
neP • ArreAOY • KYKACU • im Felde: AP'fciYlf8*0«) M(iX«4X)-

Ich habe dieses Stück auch deshalb hier aufgenommen, weil sich der Brauch, gewisse feierliche
Urkunden mit Silberbullen zu besiegeln, in einem Staatswesen, welches lange Zeit oströmische Depen-
denz war und aus diesem manches Ceremoniell herübergenommen hat, bis ins XVII. Jahrhundert, wenn
nicht länger, erhalten hat; ich meine in der Republik Venedig. Noch Bresslau stellt in seiner unlängst
erschienenen Urkundenlehre für Deutschland und Italien, S. 93i, den Satz auf, dass in den von ihm be-
handelten Gebieten Silberbullen nicht in Verwendung kamen. Nun befindet sich aber in der sphragisti-

1 Die Urkunde wurde von Tafel und Thomas mit einer stilistisch ungenügenden Abbildung der Bulle im 6. Bande
der Sitzungsberichte der Wiener Akademie (1851), S. 507 ff., edirt.
 
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