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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Drach, Karl Alhard von: Jost Burgi, Kammeruhrmacher Kaisers Rudolf II.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0022
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C. Alhard von Drach.

»diener von haus aus«, wie es in der Ueberschrift seiner Bestallung heisst, angestellt, »dergestalt, das
er uff unser erfordern uns jederzeit gewertig sein und uns in angebung der beue, allerlei kunsten, instrumenten
und in andern dergleichen sachen, deren er verstand hat und darzu er woll zu geprauchen, bestes vleis und
seines höchsten Verstands dienen, uns treu, holt und gehorsamb sein, unsern schaden alzeit warnen, frommen
und nutzen treulich furdern und alles dasjhenige thun soll, so ein getreuer diener seinem hern zu thun schuldig
und pflichtig ist«. Wir finden ihn schon vorher als Lichtkämmerer zu Marburg1 im Dienste des Land-
grafen Philipp des Grossmüthigen, des Vaters von Wilhelm IV.; diese Anstellung gewährte
ihm den Unterhalt zum Leben, Hess ihm aber zeitweilig genügende Müsse, um für Wilhelm mecha-
nische Kunstwerke zu erdenken und anzufertigen. So hat er im Jahre 1561 mit Buch's Hilfe die
grosse, im Museum zu Cassel noch vorhandene astronomische Uhr vollendet, welche seither trotz
der daran angebrachten Inschrift und Jahreszahl als Schöpfung Burgi's betrachtet worden ist.2 Dann
hat er in den Jahren 1563—1568 zu Marburg eine ähnliche, noch vollkommenere Planetenuhr für den
Kurfürsten August I. von Sachsen fertiggestellt, die noch heute eine Zierde des Historischen
Museums zu Dresden bildet.3 Endlich wurden von ihm durch im Innern angebrachte Uhrwerke
bewegte Himmelsgloben gebaut, von denen sich einer im Mathematisch-physikalischen In-
stitute der Universität Marburg erhalten hat.*

Gerade solche Himmelskugeln sind es nun, die wir als Erstlingsarbeiten Burgi's im landgräf-
lichen Dienste nachweisen können, und zwar geht dies aus einem Schreiben Wilhelms ddo. Cassel,
15. März 1582, an den Kurfürsten Ludwig IV. von der Pfalz5 hervor, worin sich der Landgraf
folgendermassen äussert:

»Nachdem auch euer lieb an uns freundlich begert, ihro einen globum coelestem machen zu laßen, als
haben wir solchs bei unserm aurmacher ins werk gerichtt, das ehr einen vor euer lieb, den andern vor uns
machen solle, hinmaßen ehr schon in arbeit und warlich artificiosissime sie beide zurichtt.

Das corpus sol groß sein 9^/2 zol und haben nit allein zeigen sondern auch viertel und stunde schlagen
und werden alle drei werk mit einem welbaum per polum antar(c)ticum uffgespannet und treibt eine fedder beid,
das viertelwerk und auch das Schlagwerk.

Man wirdt auswendig am globo gahr kein rath oder nichts sehen, so den calender uff dem horizonte treibt;
gleichwohl kan man den polum eleviren beinahe, uff was hohe man will.

Er verhofft auch, es solle der globus so satt gehen, das ehr nit über ein viertel gradts soll loschen.

Oben uff den meridian stelt ehr ein menlein, Weichs ein fahne in der hand helt; die zeigt uff der einen
Seiten, was es vor ein tagk sei, als sontag, montag etc., uff der andern Seiten aber ist theorica veri motus solis,
lunae et capitis Draconis;6 und die gehet so scharf und just, das wir uns darüber verwunderen. Und wengleich
die fahne hundert- oder tausentmahl wurdt herumb und wider herumb getrieben, hindert's doch ihren motum
gar nichts, Weichs warlich ein kunststück ist, desgleichen zuvohr nie gesehen.

Der unser itziger aurmacher, so ein sinreicher köpf ist, als ehr uns die tag unsers lebens vorkommen, hat
proprio marte ein neue theoricam lunae erfunden, welche leichter beid zu imaginiren, zu rechnen und auch ins
werk zu pringen ist als des Alphonsi oder Copernici.

1 Dieser Beamte hatte für die Beleuchtung und Heizung des Schlosses zu sorgen und war, wenn sich die Hofhaltung
daselbst befand, sehr angestrengt. Baldewein schreibt einmal, dass er »uffm schlos mit lichten und fackeln machen auch
ander bestellung und anlaufens ohn unterlass zu schaffen« habe.

2 Die Schlusszeile der Inschrift lautet:

EBERHART BALDVIN FECIT, HERMANVS DIEPEL SCVLPSIT.

3 In Poppe. »Ausführliche Geschichte der theoretisch-praktischen Uhrmacherkunst«, Leipzig 1801, lesen wir darüber
S. 442: »In dem berühmten Dresdenschen Kunstcabinete befinden sich viele künstliche Uhrwerke, darunter besonders
die astronomische Uhr ausgezeichnet zu werden verdient, die im Jahre 1563 angefangen, 1568 vollendet worden ist und
vom Kurfürst August mit 16.000 Reichsthalern bezahlt ist. Sie zeigt den Kalender, die scheinbare Bewegung der Sonne,
des Mondes und der Planeten, mit allen Abweichungen derselben, die aus der Revolution der Erde entstehen.«

4 Eine Beschreibung desselben findet sich in Justi's »Vorzeit« S. I54ff. des Jahrganges 1825 unter dem Titel:
»Ein kunstreicher selbstbeweglicher Himmelsglobus aus dem 16. Jahrhundert«.

5 Er hatte Wilhelms Schwester Elisabeth zur Gemahlin. Am 4. Juli 1539 geboren, gelangte Ludwig nach dem
Tode seines Vaters Friedrich I. 1576 zur Regierung und zur Kurwürde und starb am 22. October 1583.

6 Caput und cauda Draconis waren damals gebräuchliche Benennungen für die beiden Schnittpunkte der Mond-
bahn mit der Ekliptik, die sogenannten Knoten; sie durchlaufen bekanntlich in beinahe 19 Jahren die letztere, d. h. den
ganzen Umfang des Himmels, rückläufig. In welcher Weise Burgi diese Bewegung nebst dem wahren Sonnen- und Mond-
lauf zur Anschauung gebracht hatte, wissen wir nicht, da die betreffende Einrichtung sich an den erhaltenen Globusuhren
von ihm nicht findet.
 
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