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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Haendcke, Berthold: Josef Heintz, Hofmaler Kaisers Rudolf II.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0051
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Berthold Haendcke.

ähnliche Stellung ein wie einst Hans Holbein der Jüngere.1 Jedenfalls war er der gefeiertste Künstler
in jenem Kreise. Die Maler, beziehungsweise Zeichner, die uns ausser ihm Arbeiten hinterlassen haben,
folgen ihm entweder direct oder huldigen doch demselben Geiste.

In dieser Umgebung, wahrscheinlich im Atelier des vortrefflichen Bildniss- und Historienmalers
Hans Bock des Aelteren, bildete sich das künstlerische Verständniss des jungen Josef Heintz.2

In einem Sammelbande der öffentlichen Kunstsammlung des Heimatsortes unseres Künstlers,
Bd. U4 60, befindet sich eine grosse, schwarzgetuschte Federzeichnung, welche die Bezeichnung trägt:
»Josephus Heinz 1582 seiner lehr im 4 jar.« Als Vorwurf hat der achtzehnjährige junge Mann das gerade
in diesen Jahren in der Schweiz ausserordentlich beliebte Urtheil Salomonis erwählt. Die Composition
ist sehr charakteristisch für den Grundcharakter dieser »genialischen«, sich so gerne als Michelangelo's
träumenden Künstlerschaar der zweiten Hälfte des XVI. Jahrhunderts. In einem gross angelegten und

Fig. 1.

prunkvoll verzierten Räume sitzt im Vordergrunde inmitten einer vielköpfigen Versammlung König
Salomo und fällt das Urtheil (vgl. Fig. 1). Auf den ersten Blick fällt das Geschick im Aufbau wie die
tüchtige Zeichnung und Lavirung auf. Allerdings ruft bei näherem Zusehen manche Gestalt Erinne-
rungen allgemeiner Natur, auch solche an Holbein wach; drängt sich das Maskenhafte in den Köpfen,
das Gesuchte in den Gewandungen, in der Behandlung des Tuschpinsels die ungenügende Gewandtheit,
die zu geringe Vermittlung von Licht und Schatten auf. Nichtsdestoweniger erweckt die Arbeit viele
Hoffnung für künftige Tage. Als specielle Besonderheit fallen in der Zeichnung kleine getüpfelte Pünkt-
chen und Striche auf, die daran denken lassen, Heintz habe in diesem Falle ein — dann wahrscheinlich
niederländischer — Kupferstich als Vorlage gedient. Freilich konnte ich bisher keinen Stich als Ori-
ginal nachweisen. Doch hätte diese Annahme um so mehr Berechtigung, als, wie bereits bemerkt,
wahrscheinlich der mit solchem Materiale vertraute Hans Bock der Lehrer unseres Heintz war.

' Haendcke, Hans Holbein des Jüngeren Einfluss auf die schweizerische Malerei des XVI. Jahrhunderts, in Beilage
der »Augsburger Allgemeinen Zeitung«, 15. October 1891.

^ Neujahrsblatt der Züricher Künstlergesellschaft 1841. — Die Literatur zusammengestellt in Haendcke: »Architektur,
Malerei und Plastik, Bibliographie für schweizerische Landeskunde«, Fase. V, 6 a—c, S. 57, Bern 1892.
 
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