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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Haendcke, Berthold: Josef Heintz, Hofmaler Kaisers Rudolf II.
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0053
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Berthold Haendcke.

der Anatomie fühlt man doppelt stark, dass der Zeichner nur ungenügende Kenntnisse vom mensch-
lichen Körperbau besass. Die Neigung zum »Manierismus« kommt bereits mehr zur Geltung; jedoch
auch ein freierer Zug in der Linienführung.

Vor 1591 sind mir keine weiteren Zeichnungen und leider nicht ein einziges Gemälde bekannt
geworden. Am 1. Januar 1591 wurde Heintz zum Kammermaler des Kaisers Rudolf II. mit einem
Monatsgehalte von 15 Gulden ernannt.1 Wie lange sich der Maler dann in Prag, woselbst der kunst-
sinnige Fürst bekanntlich jenen Kreis von Künstlern und Gelehrten um sich gesammelt hatte, aufhielt,
wissen wir nicht ganz genau. Jedoch können wir durch doppeltes Zeugniss constatiren, dass Heintz
bereits 1593, nicht erst,-wie Janitschek a. a. O. angibt, 1594 in Italien war. Am 27. Januar 1595 stellt
das Hofzahlamt dem Freiherrn Leonhard dem Aelteren von Harrach, kaiserlichen Rath, Kämmerer und
Gesandten in Rom, den Betrag von 150 Goldkronen zurück, die er in Rom »in irer maj. namen den
andern juli verschinnes dreiundneunzigsten jars Josephen Haincz, irer maj. camermaler, füergestreckt«
habe.2 Neben dieser archivalischen Notiz können wir als zweiten Beweis eine Zeichnung des Künstlers
anführen. In der Albertina (Nr. 315) findet sich eine vorzügliche Kreidezeichnung mit der Signatur:
»Weintz Romae 1593 Pa Car Caesis«.

Auf einem Felsen sitzt der lüsterne Pan neben dem jugendlichen Olympus; er umfasst ihn und
spricht unter dem Vorwande, dass er ihn die Syrinx blasen lehren wolle, zärtlich auf ihn ein. Wir
haben also eine freie Copie jener bekannten antiken Gruppe vor uns. Dieses Blatt bietet uns im
Weiteren einen vorzüglichen Beleg für Sandrart's3 Worte: »Der Kaiser schickte ihn nach Rom, allwo
er die fürtrefflichsten Antiken mit grosser Emsigkeit und Fleiss zu Papier gebracht.« Des alten Malers
Worte stimmen nicht nur für das gewählte Motiv sondern auch für die Ausarbeitung desselben, die
in rother Kreide mit hin und wieder auftretenden schwarzen Schatten sehr sorgsam gegeben ist. Das
Verständniss für den Körperbau ist in den letzten sechs Jahren in Heintz erheblich gewachsen. Aber
auch die technischen Fähigkeiten sind viel ausgebildeter. Es macht sich dies besonders in der Model-
lirung geltend, die allerdings etwas zu massiv, in Bezug auf die Muskeln speciell zu knollig, trotz-
dem aber im allgemeinen runder und weicher geworden ist. Interessant ist es, zu sehen, .wie das Gefühl
des Malers mit dem Charakter des Bildwerkes in Conflict geräth. Den kalten Marmor einfach abzu-
zeichnen, ist Heintz offenbar wider die Natur. Er muss die strengen plastischen Gedanken in male-
rische übersetzen, will aber dennoch eine Copie geben. Und so kommt eine malerisch-plastische
Wiedergabe der Gruppe zu Stande, die jeden Archäologen mit einem gelinden Entsetzen erfüllen wird.
Dieser Zwiespalt, in dem sich unser Heintz befand, ist bereits bis zu einem gewissen Grade J. C. Füssli
aufgefallen. Dieser schreibt im ersten Bande seiner Geschichte der besten Mahler, S. 55: »Die Gelegen-
heit, die er hatte, nach den Antiken zu zeichnen, sollte zwar glauben machen, dass er sich eine voll-
kommene Geschicklichkeit im Zeichnen zuwege gebracht hätte; allein ich muss gestehen, dass er in
diesem Stück nicht allzu correct gewesen, ob er schon so lang sich in Italien aufgehalten und so viele
Modelle von den besten Statuen gesammelt und nachgezeichnet. Ich glaube zwar, er habe die Schönheit
derselben genug eingesehen, allein sein Naturell konnte sich an eine so mühsame Art nicht gewöhnen

— er suchte sich also ein anderes Muster, bei welchem Natur und Lieblichkeit zu finden sein möchte,
und das fand er glücklich an dem grossen Correggio.«

Erheblich schwächer ist die Copie nach der Statue eines Satyrknaben, der im Begriffe ist, eine
Traube in das geöffnete Maul eines rechts neben ihm stehenden jungen Löwen fallen zu lassen (Al-
bertina Nr. 316). Die Technik ist nach Mitteln und Behandlung ähnlich wie die des vorhergenannten
Blattes; aber die Linienführung ist ungenügend, ängstlich. Sollte dieses Blatt wirklich dem zweiten
römischen Aufenthalt unseres Heintz zuzuweisen sein, — und ich halte dafür, dass wir es thun müssen,

— so kann es nur aus der ersten Zeit seiner Copistenthatigkeit stammen.

1 Jahrbuch der kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses, Bd. VII, Reg. 5515.
- Ebenda, Reg. 5548.

3 Sandrart, Deutsche Akademie I, II. Theil, III. Buch, S. 286.
 
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