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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Frimmel, Theodor v.: Unveröffentlichte Gemälde aus der Ambrasersammlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0145
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I 26

Theodor von Frimmel.

Morelli hat eine Menge von Staffeleibildern, Miniaturen und Zeichnungen zusammengestellt, die
alle von Ambrogio de Predis sein dürften oder sein sollen. Die meisten davon befinden sich bei Mai-
ländischen Privatsammlern und sind mir bisher nicht zugänglich gewesen. Das Bildniss eines Page"'
das Morelli selbst besessen hat und das in Frizzoni's Buch über die Galerie Morelli abgebildet ist)
scheint mir, nach einer Photographie und nach dem Lichtdrucke bei Frizzoni zu schliessen, ganz wohl
von unserem Künstler zu sein.' Auch das Bildniss, sogenannt Bianca Maria Sforza, in der Ambrosiana
zu Mailand2 könnte von demselben Künstler herrühren. Dass es nicht von Lionardo da Vinci ist, dem
es noch bis in die neueste Zeit von Manchen zugeschrieben wurde, ist meine Ueberzeugung. Nicht
ebenso überzeugend wie dieser negative Ausspruch ist aber die positive Zutheilung an Ambrogio de
Predis, wenngleich betont werden muss, dass die Behandlung des Haares und, wie schon Lermolieff
hervorhob, die des Auges viele Verwandtschaft mit der Behandlung der entsprechenden Partien des
sicheren Wiener Bildes aufweist. Die zwei Profilbildnisse im Museo Artistico Municipale zu Mailand,
auf die ich in Lützow-Seemann's Kunstchronik zuerst aufmerksam gemacht habe, gehen zweifellos auf
Ambrogio de Predis zurück und dürften verriebene Originale sein.3 Das Bildniss der Bianca Maria
Sforza im Besitze Friedrich Lippmann's in Berlin ist viel besser erhalten als die zwei Gemälde im
Museo Artistico Municipale in Mailand, steht ihnen aber einerseits ebenso nahe wie andererseits dem
sicheren Bilde in Wien. Es ist ein zweifellos echter Ambrogio de Predis.4 Kaum ist es ein Zufall, dass
dieses Bildniss denselben körnigen Grund zeigt wie das signirte Gemälde aus der Ambrasersammlung
und wie die Bildnisse im Museo Artistico Municipale in Mailand.

Von den Zeichnungen, die Lermolieff dem Ambrogio de Predis zuschreibt, fällt nach den über-
zeugenden Ergebnissen der interessanten Arbeit von Robert von Schneider zweifellos diejenige weg,
die sich in der Akademie zu Venedig befindet und eine Zeit lang als Studie zu dem Maximilians'
bildnisse in Wien angesehen wurde. Robert von Schneider erbrachte den Nachweis, dass wir i°
jener kleinen Zeichnung eine Studie des Medailleurs Gian Marco Cavallo für einen verhältnissmässig
wenig bekannten seltenen Teston5 vor uns haben und nicht die Vorbereitung für das Wiener Bild-
Die überaus grosse, für Jedermann auffällige Aehnlichkeit zwischen dem Wiener Maximilianbildnisse
und der Zeichnung in Venedig erklärt Schneider daraus, dass dem Medailleur für seine Zeichnung
eben das Maximilianbildniss des Ambrogio de Predis zum Vorbild gedient haben dürfte.

Von Ambrogio de Predis selbst ist nur wenig zu sagen. Nach Morelli's Mittheilungen erscheint
es möglich, dass Ambrogio der Sohn des Miniaturmalers Cristoforo de Predis ist, der noch 1474 10
Mailand thätig war. Ambrogio de Predis ist urkundlich 1482 im Zusammenhang mit den Sforza's n an-
weisbar.6 1502 malte er, wie unser Bild beweist, den Kaiser Maximilian. Man darf wohl annehmen, dass
er ihn nach der Natur gemalt hat, da sich so viele individuelle Züge, wie sie auf dem Wiener Bilde
vorkommen, nicht erfinden lassen und keinerlei Anhaltspunkt dafür vorhanden ist, das Wiener Max>'
milianbildniss für eine Copie zu halten. 1502 war nun Kaiser Maximilian nicht in Italien. Ambrogi0
müsste über die Alpen gekommen sein. Vielleicht hat er den Kaiser in Augsburg oder Ulm gemalt,
wo wir Maximilian im Frühling und Sommer des Jahres 1502 längere Zeit verweilen sehen. Die
Wintermonate und Innsbruck wären ebenfalls als mögliche Zeit und als möglicher Ort für die Ent'
stehung des Bildnisses zu betrachten. Dass Ambrogio de Predis auch sonst für Kaiser Maximiüan
thätig war, habe ich schon 1886 ausgesprochen, als ich an den Regesten aus der Bibliothek der Am'

' Vgl. hiezu auch Archivio storico dell' arte, V, S. 224; VI, S. 148.

2 Photographie von Brogi Nr. 63o2; vgl. hiezu auch Gazette des beaux-arts 1887, I, S. 223; 1888, II, S. 429-
Archivio storico dell' arte, II, S. 202, 432. — Bode im Jahrbuch der königl. preuss. Kunstsammlungen, Bd. X, S. 72ff-
Neuestens wieder abgebildet in P. D. Pasolini's »Caterina Sforza«, Rom 1893, Vol. I, zu S. 335.

3 Keineswegs Copien, für die sie Lermolieff zu halten scheint; vgl. Kunstkritische Studien: »Die Galerien Borgh
und Doria-Panfili in Rom«, S. 244, Anmerkung.

4 Vgl. Jahrbuch der königl. preuss. Kunstsammlungen, Bd. X, S. 72ff. (Bode) mit Heliogravüre. Ich habe das I
selbst vor mehreren Jahren bei dessen Besitzer gesehen.

5 Beschrieben nach Robert von Schneider's Mittheilungen bei Armand: »Medailleurs de la Renaissance«, III, S.

6 Vgl. Morelli, Kunstkritische Studien, a. a. O., S. 238.
 
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