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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0283
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Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol.

ist. Auf dem Kopfe ein blaues Stuarthäubchen, reich mit Gold, rothen Steinen und Perlen geziert,
das Hemd mit Halskrause versehen und gestickt, das Kleid rosenfarb mit kurzen hohen Aermeln, über
die Brust ein Geschmeide aus blauen und rothen Steinen, wechselnd mit Perlen in Goldfassung; das
Kleinod nur mit dem Rande sichtbar. Grund graubraun. — Katalog Nr. 900.

Das Söhnchen. Brustbild rechts, fast von vorne, mit schwarzbraunen, grossen Augen, lichterem
Haupthaar, das bis zu den Augenbrauen dicht steht, am unteren Theil der Wangen, an Lippen und
Kinn nur einen leichten Anflug bildet, auf dem
Kopfe eine hohe rothe Haube mit getheiltem
Schilde, in Halskrause und rothem Kleide; letzteres
ist an den Säumen mit weissem Pelz verbrämt,
die Brusttheile und die Aermel mit Goldschnüren
und Knöpfen (rothe Steinchen in Gold) geschlossen.
Grund graubraun. — Katalog Nr. 901.

158. Lamalitlin, Hungerkünstlerin und Be-
trügerin aus Augsburg,

welche »die leuth zu München und Augspurg mit er-
dichtet heiligkeit, als wenn sie nichts esse und nur
allein durch die gnaden gottes erhalten würdt, beredet,
aber auf die letst, nachdem ihr betrug offenbar worden,
sich von Augspurg an den Rheinstrom gethan, daselbs
ein mann genommen, sein sie baid ihres Verhaltens
halber der mann gehenkh, das weib ertrenkh worden«.1
Ausführlicher handelt über sie eine Handschrift der
k. k. Hofbibliothek,2 aus der hier Folgendes erwähnt
sei: Anna Laminitlin oder das Laminitlen, einmal auch
Laminithin geschrieben, vom älteren Holbein Lamanetly
und das Lomenetlin3 genannt, um 1481 in Augsburg ge-
boren und erzogen, schon in ihrer Jugend eine Hunger-
künstlerin (vgl. unten), wurde wegen Kuppelei mit Ruthen
bestraft und wegen »bübereien«, die sie mit ihren Ge-
sellen trieb, sammt diesen »ausgestrichen«; später aber Nr. 158.
(1503) wieder in die Stadt zugelassen, trat sie als Heilige
auf, die keiner Nahrung bedürfe, wusste sich durch ihr

Thun einen grossen Ruf, der sich in die Lande verbreitete, zu erwerben* und bekam reichlich Geschenke. Auch
Kaiser Maximilian hatte grossen Glauben an sie; er befahl Jakob Fugger, »der junkfrauen, so nichts isst, zu Augs-
purg und ir diern, so ir wart, jeder guet swarz tuech zu rockhen zu geben«.5 Nach einigen Jahren entstand aber
zwischen ihr und ihren »gespielinen«, die stets für sie ausgesagt hatten, Zwietracht und Hessen Letztere den
Schwindel ahnen. Völlig aufgedeckt hat ihn Erzherzogin Kunigunde, Witwe des Herzogs Albrecht III. (IV.) von
Bayern, die mit edlen Jungfrauen »ein geistliches wesen hielt«. Sie Hess 1511 die Hungcrkünstlerin nach
München kommen und wies ihr ein Stüblein an; »darin hat die herzogin zugericht, dass sie heimlich darein
sehen konnte«. Sie sah nun, wie die Magd der Schwindlerin dieser in zwei Säcken unter dem Rocke verborgen
»lebzelten sammt anderen köstlichen specerei und malvasier, reinfall (Wein) oder andern guten trankh« heim-
lich zutrug. Nun befahl ihr Kunigunde, unter Gehorsam zu essen, dessen sich die scheinbare Heilige nicht weigern
konnte, und zerstörte damit den Wahn, dass Letztere irdische Nahrung nicht vertrage. Die Katastrophe selbst

1 So schreibt Fickler zu Nr. 2801. — v. Reher, A, 164.

2 Nr. 12779 (Tabulae codicum msc. VII, p. 146), S. 125 f. Es ist eine Abschrift neuerer Zeit nach einem alten Manuscript.

3 Frisch und Alfred Woltmann, Hans Holbein der Aeltere. Silberstiftzeichnungen des kgl. Museums in Berlin, Nr. LVII.

4 Nach der oben erwähnten Handschrift, die mit dem Jahre 1503 beginnt, ging sie alle Sonntage in die heilige
Kreuzkirche zum hochwürdigen Sacramente, fand aber die »Particula« zu gross, um sie zu vertragen, und erhielt daher
kleinere sowie einen eigenen Betstuhl, der verdeckt war, damit sie nicht in der Andacht gestört würde. Sie gab vor,
Zukünftiges aussagen zu können, und empfahl auf Eingebung der heiligen Maria und Anna einen allgemeinen »kreuzgang«,
damit Gott von seinem Zorne ablasse, weil die Mutter Gottes nicht mehr »fürhalten« könne. Auch behauptete sie, ein
Crucifix zu haben, das Blut schwitze, und vertheilte Tüchelchen mit lilutspurcn, die bei Hoch und Nieder als Heiligthümer
verehrt wurden, bis der Bischof von Augsburg nach strenger Untersuchung ihr das Crucifix wegnehmen Hess.

5 Regest v. Ernst von Birk (Manuscript) aus dem k. k. Hofkammer-Archiv, Ged. B. 16, fol. 173b), datirt von
»Popart« am 3. Juli 1508. Dadurch ist zugleich erwiesen, dass die Schwindlerin nicht erst 1511, wie Frisch und Woltmann
(siehe Note 3) angeben, sondern schon vor 1508 (nach unserer Handschrift 1503) in Augsburg wieder aufgetaucht sein muss.
 
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