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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Kenner, Friedrich: Die Porträtsammlung des Erzherzogs Ferdinand von Tirol, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0284
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254

Dr. Friedrich Kenner.

trat aber erst drei Jahre später ein, als die Schwindlerin wieder nach München kam und aussprengte, die Herzogin
habe unrecht an ihr gethan und sie zum Essen gezwungen, man solle sie nur wieder probiren. Darüber beklagte
sich Kunigunde bei ihrem Bruder Kaiser Maximilian und bei ihrem Sohne Herzog Wilhelm IV., worauf Ersterer
dem Rathe von Augsburg befahl, sie aus der Stadt zu verbannen, was 1514 geschah.1

Silberschrift: AMALITLIN AVGVSTANA. Brustbild links, in Dreiviertelprofil, mit schwarzen Augen
und Brauen, letztere buschig, der Kopf bis über die Ohren herab mit einem hohen grauen Filzhute ohne
Krempe bedeckt, in schwarzem Kleide mit gleichem Kragen. Grund dunkelblau. — Katalog Nr. 912.

In der Sammlung des Herzogs Albrecht IV. (V.) zu München befand sich ein wohl von Hans
Burgkmair gemaltes Bildniss,2 das jetzt verschollen ist und sehr wahrscheinlich das Original des vor-
liegenden kleinen Gemäldes abgab. Es stellt die Schwindlerin in einem Alter von etwa 3o Jahren dar
und ist wahrscheinlich noch vor der Entlarvung im Jahre 1511 entstanden. Die Silberstiftzeichnung
des älteren Holbein3 gibt sie als Nonne mit Schleier und etwas verlebten Zügen, die lebhaft an unser
Bild erinnern; die Skizze muss um 1507 oder 1508 einige Jahre nach dem Wiederauftreten der
Schwindlerin in Augsburg entstanden sein. Nach ihrem Aussehen in der Holbein'schen Zeichnung
und mit Rücksicht auf ihr Vorleben kann ihr damaliges Alter auf 25—27 Lebensjahre geschätzt werden,
was darauf führt, ihr Geburtsjahr um 1481 anzusetzen. Von dem Alter abgesehen, finden wir die
gleichen Züge wie in unserem Bilde endlich auch in vier Skizzen des Hans Baidung Grien,+ die
den Kopf eines etwa 14—15jährigen Mädchens, mit Silberstift gezeichnet, zum Gegenstande haben.
Die Augenbrauen sind auch hier stark betont, Nase und Mund jenen unseres Bildes sehr ähnlich, nur die
Oberlippe nicht eingesunken; da der Kopf unverhüllt ist, wird auch die Kinnlade, jener in unserem
Bilde abermals völlig ähnlich, sichtbar; überdies zeigt Baldung's Skizze ein breites Ohr. Die Aufschrift
der beiden ersten Skizzen ist später hinzugeschrieben und lautet: »Dises ist die contrafactur desjenig
maidli, so in zeh(n) jähr nichts gessn.« Die Uebereinstimmung der Gesichtszüge mit jenen unseres
Bildes zeigt, dass die Beischrift richtig ist, dass die Skizzen unsere Lamalitlin in ihren jungen Jahren
darstellen, endlich dass diese schon damals die Hungerkunst ausübte. Nach ihrem oben gefundenen
Geburtsjahre sind die Skizzen um 1495 entstanden; es zeigt von ihrem grossen Rufe, dass Künstler
wie H. Baidung Grien, der ältere Holbein und Burgkmair ihre Gesichtszüge in verschiedenen Lebens-
altern zeichneten.

Riesen, Zwerge, Hofnarren.5

159. Der grosse Polak. In der Galerie des Herzogs Albrecht IV. (V.) von Bayern befand sich
das Bildniss eines Zwerges, welcher als der »Polackh Gregor Brafskofski« bezeichnet wird;13 wohl im

1 Lieber die letzten Jahre der Lamalitlin erwähnt unsere Handschrift, sie habe sich, von Anthoni Welser mit Pferd,
Wagen und einem Knechte versehen, nach Freiburg in der Schweiz gewendet, dort einen Mann genommen, der Armbrust-
macher war, und sei wegen vieler neuer Streiche »nach Urtheil und Recht« zum Flammentod verurtheilt aber zum Tode
durch Ersäufen begnadigt worden. Es handelte sich dabei wohl um eine Art von Hexenprocess, was im Sinne jener Zeit
auch begreiflich ist, da ihr Mann aussagte, er habe unter ihren Sachen ein Wasser gefunden und, als er davon getrunken,
viele Tage weder Speise noch Trank zu sich nehmen können, bis sie ihm ein anderes Wasser gegeben; »das sei etwan
viel tag nachher beschehen«.

2 Fickler's Inventar Nr. 2801; vgl. v. Reber, A, 164. In einer gefälligen brieflichen Mittheilung spricht derselbe die
Vermuthung aus, dass Burgkmair der Maler des Originales sei.

3 Frisch und A. Woltmann, a. a. O., Blatt 57. Die Beischrift lautet: »Lamenetly dy nit is(s)t«; eine andere Beischrift
mit Tinte bezeichnet die Dargestellte als »das Lomenetlin«.

4 Marc Rosenberg, Hans Baidung Grien. Skizzenbuch im grossherzoglichen Kupferstich-Cabinet in Karlsruhe, Taf. 16,
17, S. 12, l3.

5 Nach Philipp Hainhofens »Relation über seine Ynnspruggers rais« (1628, Manuscript im Ferdinandeum, S. 109; eine
neue Abschrift konnte ich durch die Gefälligkeit des Herrn Regierungsrathes Dr. A. Ilg benützen) fanden sich in Ambras
»in einem anderen säälin (neben dem dritten Zimmer) in der niedere unterhalb der fensterraamen herumb zwanzig conter-
fehte von erzherzogen Ferdinand narren und närrinen«. Vgl. M. Zeiller, Itiner. Germ., Strassburg 1654, S. 355. Sie sind
jetzt verschollen; vermuthlich fanden sich darunter die Originale von einem und dem anderen der hier folgenden Bilder.
Letztere zeigen übrigens zwar die Ausstattung der Bildnisse des alten Bestandes, sind aber auf Holztäfelchen anderer
Art aufgezogen; die Aufklebung hat also wahrscheinlich erst in späterer Zeit stattgefunden.

ö Fickler's Inventar, Nr. 3299; v. Reber, A, 162.
 
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