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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 15.1894

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Elfenbeinsättel des ausgehenden Mittelalters
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https://doi.org/10.11588/diglit.5906#0325
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Elfenbeinsättel des ausgehenden Mittelalters.

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Betreffs der häufig vorkommenden Initialen und der Devisen verweise ich auf das in meiner Ab-
handlung über die Handschriften Wenzel I. Gesagte. Hier möchte ich noch auf die sogenannten
Faveurs oder Frauengünste aufmerksam machen, die die Ritter von ihren Damen als Erkennungszeichen
beim Turniere erhielten und die häufig solche Initialen oder Devisen tragen. Derlei Faveurs, freilich
aus ziemlich später Zeit, befinden sich im kunsthistorischen Hofmuseum zu Wien; sie stammen von
Erzherzog Ferdinand von Tirol.1 Eine Achselflanke zeigt die Initialen der Philippine Welser, eine
zweite ein gesticktes Herz. Eine Schärpe rührt von Anna von Mantua, der zweiten Gemahlin des Erz-
herzogs, her und zeigt das gekrönte Monogramm des fürstlichen Paares.

Das Sinnbild der Hecke oder Hürde, das uns auf den Sätteln mehrfach begegnet ist, findet sich
auch auf der früher citirten Darstellung Herzogs Ludwig von Bayern im Turnierbuche Ostendorfer's,2
wo dessen Satteldecke und Schild damit sowie mit dem Spruche: »ich habs im herzen« geschmückt
ist. Auch im Palazzo Schifanoja zu Ferrara zeigt der schöne Stuccoplafond des hinter dem grossen
Saale mit den Fresken gelegenen Zimmers neben dem Wappen der Este die häufig wiederholte Devise:
ein Einhorn in einer Hürde mit der Legende: »fido.«

IV. Stilistisches.

Unter den mir bekannt gewordenen 21 Sätteln können wir der Form und Ausstattung nach drei
verschiedene Gruppen unterscheiden. Der ältesten gehört der Sattelbogen aus Spitzer's Collection an;
ihr müssen wir den bei Hartmann von Aue so anschaulich geschilderten Sattel sowohl der Form als
auch des Stoffes der Darstellungen wegen anreihen.

Hieran schliesst sich eine zweite Gruppe, die Sättel in Modena, in Florenz (I) und in Wien (II)
umfassend, die beiden ersten italienischer Herkunft, mit italienischen oder lateinischen Inschriften.
Sie halten noch an der Form des alten Turniersattels fest wie die vorige Gruppe, zeigen aber dieselbe
Art von Darstellungen wie die folgende Gruppe.

Diese ist die weitaus zahlreichste. Die Form dieser Sättel (»moskowitisch«) haben wir oben ge-
schildert; ihre Darstellungen beziehen sich durchaus auf das höfische Leben; ihr immer wieder be-
handeltes Thema ist die ritterliche Minne mit all dem allegorischen Apparate der Zeit: Minneflehen
und Schäferstunde, Gewähren und Versagen sind da in Wort und Bild angedeutet, Alles das umrankt,
in echt romantischer Stimmung, von den symbolischen und allegorischen Gestalten, die in der Kunst
des ausgehenden Mittelalters den Hofstaat der Frau Minne ausmachen. Die Thiere der Bestiarien,
die wilden Männer des Waldes und alle die grotesken Geschöpfe, die in der Gothik ihr Wesen treiben,
müssen herhalten, um die Allgewalt der das höfische Leben beherrschenden Macht, der chevaleresken
Minne, zu verdeutlichen. Dazu kommt aber, dem Zeitalter angemessen, in welchem die Moralitäten in
Blüthe stehen und das eigentliche nicht mehr mit abstracten Gestalten sondern mit menschlichen Wesen
agirende Schauspiel vorbereiten, ein lehrhaft moralisirender Zug: der Weltlust mit ihrem leiden-
schaftlichen Verlangen wird der Triumph über die Verlockung und die keusche Jungfräulichkeit ent-
gegengesetzt.

Es ist auffallend, dass die Sättel dieser Gruppe fast durchaus deutscher Herkunft sind, selbst die
nach Ungarn, Italien und England verschlagenen, den Sattel I in Pest, der wohl italienisch ist, und etwa
noch den im Berliner Zeughause ausgenommen. Das beweisen die deutschen Sprüche der meisten von
ihnen (Tower, Collection Meyrick, Braunschweig, Tratzberger Sattel, Könnend, Bologna, Florenz II,
Pest III). Ihre Heimat ist, wie der Dialekt beweist, Oberdeutschland; mit vielleicht alleiniger Aus-
nahme des Sattels Wenzels von Böhmen, der aber auch schon hart auf der Grenzscheide steht, gehören
sie dem ganzen Verlaufe des XV. Jahrhunderts an. Dass sie der überwiegenden Mehrzahl nach in
einem gemeinsamen Centrum entstanden sind, deucht mir trotz der aus der zeitlichen Verschiedenheit

' Abgebildet bei Sacken, Die Rüstungen der Ambrasersammlung, Bd. II, Taf. 54.

2 Das für diese Dinge überhaupt eine wahre Fundgrube ist; vgl. die Publication von Sencfelder und Schlichtegroll,
München 1817.

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