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Wendelin Boeheim.
kugelförmig aufgetrieben, ebenso die Streifbuckel am Fürbug. Die Felder sind mit gekehlten Schling-
ornamenten ausgefüllt (Fig. 26). Gegenwärtig ist dieses prächtige Rosszeug mit einem der Harnische
des Wilhelm von Worms (A 243), welchen ich an betreffender Stelle erwähnt habe, in Verbindung auf-
gestellt. Der Pferdeharnisch findet sich zuerst in einem Inventare der Waffen des Don Carlos erwähnt.
Seiner Form nach ist er aber älter als dieser Prinz und dürfte noch aus der Zeit Karl V. stammen.
Unter allen hier erwähnten Arbeiten unseres Meisters nimmt ein Harnisch auf Ross und Mann
im königlichen Museum zu Stockholm (Kat. Nr. 12) unsere ganze Aufmerksamkeit nicht allein durch
seine schönen Verhältnisse, seine prachtvolle Ausstattung und seine Vollständigkeit sondern auch durch
nicht unwichtige Folgerungen in Anspruch, welche sich an denselben knüpfen lassen und welche ich
nachstehend erörtern werde. Die ganze Oberfläche ist mit einem Bandornamente ausgefüllt. Den Grund
bildet ein Muster von in Aetzarbeit dargestellten feinen Schnecken, deren Vertiefungen mit kaltem
Email in opakem Weiss ausgefüllt sind. Ueber diesen Grund ist ein Bandornament gelegt, welches
theils in Kaltemail schwarz gehalten theils vergoldet ist.1 Der Decor ist, wie sich aus der Beschreibung
ergibt, ungemein reich und effectvoll und sieht sich an, als wäre der ganze Harnisch von Silber, ein
Eindruck, der mit der citirten Stelle in Neudörfer in derThat stimmt, wenn auch das hier beschriebene
Werk nahezu fünfundzwanzig Jahre nach dessen Nachrichten datirt. Auf der Rossstirne findet sich die
Nürnberger Beschaumarke in Gemeinschaft mit jener des »steigenden Löwen«.
Wie mir der Artillerieoberst und Conservateur des Musee d'Artillerie in Paris, Mr. Fr. Bernadac,
gütigst mittheilte, ist der ganz ähnlich ausgestattete Rennhut (H 52) dortselbst unzweifelhaft von der
Hand Konrad Lochner's. Ich erinnere mich dieses Gegenstandes nicht mehr und finde auch nichts
darüber in meinen an Ort und Stelle gemachten Notizen. Mr. Bernadac bemerkt auch, es fänden sich
seines Erinnerns einige gleich ornamentirte Wechselstücke in der Sammlung W. H. Riggs.
Alle diese Daten sind für die Waffensammlung des kaiserlichen Hauses zu Wien von Werth;
denn durch dieselben ist in einem der schönsten Harnische der Sammlung ein weiteres Nürnberger
Werk nachzuweisen. Es ist dies der halbe Prunkharnisch des Niclas Christoph von Radzivi], Herzogs
von Olyka.2 Ursprünglich ein ganzer und nur durch den Verlust des Beinzeuges zu einem halben
Harnische geworden, bietet er in seiner Form dem Kenner alle Merkmale deutscher Arbeit; der Mangel
jeder Marke aber machte bisher die Zuschreibung an einen Meister unmöglich. Nun wies Intendant
Herr Ossbahr, der Chef der Waffensammlung im königlichen Palais zu Stockholm, welcher den Har-
nisch besichtigte, mit aller Bestimmtheit darauf hin, dass der vorerwähnte Harnisch in Stockholm mit
nur ganz unwesentlichen Varianten die gleiche Auszierung mit jenem des Radzivil besitzt und ohne
jeden Zweifel der gleichen Meisterhand entstammt. Die einzige Veränderung bestünde darin, dass der
letztere zu dem schwarzen und goldenen noch ein rothes Bandornament auf den weissen Grund gelegt
trägt, wodurch noch weit mehr eine coloristische Wirkung erzielt wird (Fig. 27).
Sind diese Angaben richtig, woran ich nicht zweifle, dann könnten wir uns versucht fühlen,
in dem Harnische Radzivil's eine weitere Arbeit Konrad Lochner's zu erblicken. Die allgemeine Form
desselben erweist sich als den Arbeiten des Meisters nicht geradezu widersprechend; ja es treten auch die
Brechränder hier wieder auf, an deren Beigabe der Meister mit vieler Zähigkeit festhielt. Wir bemerken
auch, dass sich Lochner wiederholt der Technik des Kaltemails für seine decorativen Ausstattungen
bediente; aber das Werk selbst ist doch bedenklich jung; es datirt frühestens von etwa 1570. Konrad
Lochner ist aber nach dem mehrmals genannten Todtengeläutbuche in seinem Hause am Plattnermarkt
1567 gestorben und wurde am 19. August begraben.3 Damals zählte Radzivil achtzehn Jahre. Es
1 Nach mündlichen Angaben des Vorstandes desselben Museums, Herrn Intendanten C. A. Ossbahr, deren ich hier mit
vielem Danke gedenke.
2 Niclas Christoph von Radzivil, Herzog von Olyka und Nieswiesz, Fürst des heiligen römischen Reiches, ist 1549
geboren; er focht gegen die Russen und wurde bei der Belagerung von Polozk verwundet. Er machte später eine Reise
nach Jerusalem, die er in einem Werke in polnischer und lateinischer Sprache beschrieb. Die lateinische Ausgabe desselben
erschien unter dem Titel: »Peregrinatio Hierosolymitana« zu Braunsberg 1601. Christoph starb 1616.
3 Neudörfer, a. a. O.
Wendelin Boeheim.
kugelförmig aufgetrieben, ebenso die Streifbuckel am Fürbug. Die Felder sind mit gekehlten Schling-
ornamenten ausgefüllt (Fig. 26). Gegenwärtig ist dieses prächtige Rosszeug mit einem der Harnische
des Wilhelm von Worms (A 243), welchen ich an betreffender Stelle erwähnt habe, in Verbindung auf-
gestellt. Der Pferdeharnisch findet sich zuerst in einem Inventare der Waffen des Don Carlos erwähnt.
Seiner Form nach ist er aber älter als dieser Prinz und dürfte noch aus der Zeit Karl V. stammen.
Unter allen hier erwähnten Arbeiten unseres Meisters nimmt ein Harnisch auf Ross und Mann
im königlichen Museum zu Stockholm (Kat. Nr. 12) unsere ganze Aufmerksamkeit nicht allein durch
seine schönen Verhältnisse, seine prachtvolle Ausstattung und seine Vollständigkeit sondern auch durch
nicht unwichtige Folgerungen in Anspruch, welche sich an denselben knüpfen lassen und welche ich
nachstehend erörtern werde. Die ganze Oberfläche ist mit einem Bandornamente ausgefüllt. Den Grund
bildet ein Muster von in Aetzarbeit dargestellten feinen Schnecken, deren Vertiefungen mit kaltem
Email in opakem Weiss ausgefüllt sind. Ueber diesen Grund ist ein Bandornament gelegt, welches
theils in Kaltemail schwarz gehalten theils vergoldet ist.1 Der Decor ist, wie sich aus der Beschreibung
ergibt, ungemein reich und effectvoll und sieht sich an, als wäre der ganze Harnisch von Silber, ein
Eindruck, der mit der citirten Stelle in Neudörfer in derThat stimmt, wenn auch das hier beschriebene
Werk nahezu fünfundzwanzig Jahre nach dessen Nachrichten datirt. Auf der Rossstirne findet sich die
Nürnberger Beschaumarke in Gemeinschaft mit jener des »steigenden Löwen«.
Wie mir der Artillerieoberst und Conservateur des Musee d'Artillerie in Paris, Mr. Fr. Bernadac,
gütigst mittheilte, ist der ganz ähnlich ausgestattete Rennhut (H 52) dortselbst unzweifelhaft von der
Hand Konrad Lochner's. Ich erinnere mich dieses Gegenstandes nicht mehr und finde auch nichts
darüber in meinen an Ort und Stelle gemachten Notizen. Mr. Bernadac bemerkt auch, es fänden sich
seines Erinnerns einige gleich ornamentirte Wechselstücke in der Sammlung W. H. Riggs.
Alle diese Daten sind für die Waffensammlung des kaiserlichen Hauses zu Wien von Werth;
denn durch dieselben ist in einem der schönsten Harnische der Sammlung ein weiteres Nürnberger
Werk nachzuweisen. Es ist dies der halbe Prunkharnisch des Niclas Christoph von Radzivi], Herzogs
von Olyka.2 Ursprünglich ein ganzer und nur durch den Verlust des Beinzeuges zu einem halben
Harnische geworden, bietet er in seiner Form dem Kenner alle Merkmale deutscher Arbeit; der Mangel
jeder Marke aber machte bisher die Zuschreibung an einen Meister unmöglich. Nun wies Intendant
Herr Ossbahr, der Chef der Waffensammlung im königlichen Palais zu Stockholm, welcher den Har-
nisch besichtigte, mit aller Bestimmtheit darauf hin, dass der vorerwähnte Harnisch in Stockholm mit
nur ganz unwesentlichen Varianten die gleiche Auszierung mit jenem des Radzivil besitzt und ohne
jeden Zweifel der gleichen Meisterhand entstammt. Die einzige Veränderung bestünde darin, dass der
letztere zu dem schwarzen und goldenen noch ein rothes Bandornament auf den weissen Grund gelegt
trägt, wodurch noch weit mehr eine coloristische Wirkung erzielt wird (Fig. 27).
Sind diese Angaben richtig, woran ich nicht zweifle, dann könnten wir uns versucht fühlen,
in dem Harnische Radzivil's eine weitere Arbeit Konrad Lochner's zu erblicken. Die allgemeine Form
desselben erweist sich als den Arbeiten des Meisters nicht geradezu widersprechend; ja es treten auch die
Brechränder hier wieder auf, an deren Beigabe der Meister mit vieler Zähigkeit festhielt. Wir bemerken
auch, dass sich Lochner wiederholt der Technik des Kaltemails für seine decorativen Ausstattungen
bediente; aber das Werk selbst ist doch bedenklich jung; es datirt frühestens von etwa 1570. Konrad
Lochner ist aber nach dem mehrmals genannten Todtengeläutbuche in seinem Hause am Plattnermarkt
1567 gestorben und wurde am 19. August begraben.3 Damals zählte Radzivil achtzehn Jahre. Es
1 Nach mündlichen Angaben des Vorstandes desselben Museums, Herrn Intendanten C. A. Ossbahr, deren ich hier mit
vielem Danke gedenke.
2 Niclas Christoph von Radzivil, Herzog von Olyka und Nieswiesz, Fürst des heiligen römischen Reiches, ist 1549
geboren; er focht gegen die Russen und wurde bei der Belagerung von Polozk verwundet. Er machte später eine Reise
nach Jerusalem, die er in einem Werke in polnischer und lateinischer Sprache beschrieb. Die lateinische Ausgabe desselben
erschien unter dem Titel: »Peregrinatio Hierosolymitana« zu Braunsberg 1601. Christoph starb 1616.
3 Neudörfer, a. a. O.