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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 25.1905

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I. Theil: Abhandlungen
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Glück, Gustav: Über Entwürfe von Rubens zu Elfenbeinarbeiten Lucas Faidherbes
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https://doi.org/10.11588/diglit.5915#0082
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Über Entwürfe von Rubens zu Elfenbeinarbeiten Lucas Faidherbes.

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Natur selbst, die man in diesem Marmor wiedererkennt, so herzerfreuend und voll Leben. Was soll
ich von dem allgemeinen und wohlverdienten Beifalle sagen, der Euch bei der Enthüllung Eurer
Statue des heil. Andreas zuteil geworden ist? Teuerster Freund, Euer Name und Euer Ruhm verherr-
lichen unsere ganze Nation. Hielten mich nicht
mein Alter und die grausame Gicht, die mich ver-
zehrt, hier festgekettet, ich machte mich auf der
Stelle auf, um mit eigenen Augen die so bewun-
derungswürdigen Werke zu besehen.»

Gerade in den letzten Jahren von Rubens'
Tätigkeit hat, wie es scheint, sein Interesse für die
Plastik eine neue Steigerung erfahren; zu keiner
anderen Zeit hat er so viel und so gerne Werke
der Bildhauerei wie Statuen, Brunnen, verzierte
Torbogen und ähnliches in seinen Bildern ange-
bracht, eine Gewohnheit, die ihm manche seiner
Schüler, wie zum Beispiel Frans Wouters, nicht
ohne Glück abgeguckt haben. Reiche Anregung
mögen dem Meister hier die Dekorationen für den
Einzug des Kardinal-Infanten Ferdinand im Jahre
1635 geboten haben; seine eigenen Arbeiten für
diesen Anlaß sind ein Gemisch von malerischen
und skulpturalen Motiven. Für Karl I. entwarf er
ein Jahr später eine Kanne und Schüssel, die der
Antwerpner Ziseleur Theodor Roegiers in getrie-
benem Silber ausführte. Die köstliche Grisaille-
skizze für diese Schüssel, auf der, ähnlich wie auf
dem Stockholmer Salzfaß, die Geburt der Venus
dargestellt war, ist uns in der Londoner National-
galerie erhalten, wohin sie aus der Hamiltonschen
Sammlung gelangt ist. Das Ganze, Kanne und
Schüssel, lernen wir aus einem schlechten Stiche
Jakob Neefs' kennen,1 der uns von dem Aussehen
der für immer verlorenen Silbergegenstände nur
eine schwache Vorstellung zu geben vermag.

In dieser Zeit traf es sich nun höchst glück-
lich, daß eines Tages in Rubens' Werkstatt ein
junger Mann eintrat, der wirklich imstande war,
des Meisters plastische Gedanken auszuführen wie
kein anderer. Es war, wie wir schon gesehen

haben, der kaum zwanzig Jahre alte Lucas Faidherbe, der aus einer Bildhauerfamilie stammte und
dadurch offenbar schon eine gründliche Kenntnis des Handwerks mit nach Antwerpen brachte. Er
ist der Einzige, dem Rubens die Ausführung seiner plastischen Gedanken anvertraut hat.2 Der Meister
scheint ihm aber dabei auch eine künstlerische Freiheit gelassen zu haben, wie nur er es konnte, der

Fig. 3.

P. P. Rubens, Bacchanal (Ausschnitt).
Berlin, kgl. Gemäldegalerie.

1 Die Grisailleskizze abgebildet bei F. Goeler von Ravensburg, a. a. O., S. 114, der Stich von Neefs bei H. Hymans,
Histoire de la gravure dans l'Ecole de Rubens, p. 418.

2 Es ist nicht wahrscheinlich, daß auch andere Elfenbeinschnitzer in Rubens' Auftrage nach seinen Entwürfen ge-
arbeitet haben. Sein Einfluß ist freilich in den vlämischen und deutschen Elfenbeinarbeiten des ganzen XVII. Jahrhunderts
fast überall sichtbar, aber es handelt sich hier entweder um Reproduktionen seiner Gemälde oder der Stiche nach diesen
(wovon als Beispiel'das Elfenbeinrelief der kaiserlichen Sammlung, Saal XXII, Vitr. II, 41, angeführt sei, das nach Rubens'
 
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