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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Bie, Oscar: Zur Geschichte des Haus-Peristyls
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0011
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ZUR GESCHICHTE DES HAUS-PERISTYLS
Das Peristyl giebt dem hellenischen und dem hellenisierenden Wohnhause
seinen Charakter: ein freier Hof mit oder auch ohne Gartenanlagen, umgeben von
Säulenhallen, bildet es das Centrum des Hauses, von dem die herumliegenden
Zimmer Licht und Luft empfangen. So tritt es uns fertig in den erhaltenen helle-
nisierenden Häusern Pompejis entgegen, so beschreibt es Vitruv bei der Schilderung
des griechischen Wohnhauses (VI io,i).
In die Geschichte des Peristyls, wie des ganzen griechischen Hauses ist
durch die Entdeckung der Palastbauten mykenischer Zeit, wie sie in Tiryns, Mykene,
Troja und Athen vorläufig vorliegen, ein ungeahntes Licht gefallen; Nissens — da-
mals noch divinatorischer — Ausspruch1 »aus den Anaktensitzen hat sich der Palast
der historischen Jahrhunderte entwickelt« sollte in wunderbarer Weise bestätigt
werden.
Das tirynthische Bausystem eröffnet den Blick sowohl auf die vorangehende
als auf die nachfolgende Entwickelung. Puchstein2 hat zur Erklärung der merk-
würdigen Thatsache, dafs bei sonstiger Culturverschiedenheit die Grundrisse der
peloponnesischen und trojanischen Paläste eine so auffallende Übereinstimmung
zeigen, drei Möglichkeiten hingestellt: gleiche Entwickelung aus gleichen Bedingungen
oder gemeinsame Entlehnung eines fremden Bauprinzips oder Übertragung von
einem Ort auf den andern. Von der ersten Möglichkeit kann aber bei genauerem
Zusehn keine Rede sein. Denn gerade das tirynthisch-trojanische System unter-
scheidet sich in wesentlichen Punkten von den nationalen Wohnhaussystemen anderer
Völker, so z. B. von dem altpergamenischen3, von dem altgermanischen4, von dem
altitalischen (Atrium). Diese drei Systeme sind zunächst nicht parataktisch, sondern
hypotaktisch — d. h. sie erweitern den Llauptsaal nicht durch zugefügten Gruppen-
bau, sondern durch Unterschiebung mehrerer Räume unter dasselbe Dach. Und sie
zeigen zweitens im hinteren Teil des Baues — das erste durch die beiden seitlich
der Exedra gelegenen Schlafräume, das zweite durch'den breiten Fleet, das dritte
durch die alae — eine Breitausdehnung, die dem basilikalen Prinzip des Megaron ge-
nau entgegengesetzt ist. Als einziger Vergleichungspunkt bleibt der ambitus,
welcher das alte Atrium ebenso umgab, wie er das Megaron umgiebt — in späterer
Zeit weniger wohl aus Rücksichtnahme auf die Wasserableitung als infolge pietät-
voller Isolirung der parietes, welche nicht comv-mnes werden sollten. Jene Diffe-
renzen aber sind so unterscheidend, dafs sie nicht nur eine Heranziehung der fremden
Bausysteme als Analoga verbieten, sondern dafs diese sogar als geschlossene Gruppe

J) Pompejanische Studien S. 620.
2) Archäologischer Anzeiger 1890 S. 66.
Jahrbuch des archäologischen Instituts VI.

3) Nissen a. a. O. S.611.
4) Nissen a. a. O. S. 612.

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