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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Sauer, Bruno: Nachträgliches zum olympischen Westgiebel
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0098
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NACHTRÄGLICHES
ZUM OLYMPISCHEN WESTGIEBEL

Da die offizielle Publikation der olympischen Funde sich ihrer Vollendung
nähert, halte ich es für angezeigt einige Bedenken und Vorschläge auszusprechen,
deren Prüfung der Rekonstruktion des Westgiebels in einigen wichtigen Punkten
vielleicht zu Gute kommen wird.
Grüttners Ergänzung der Gruppe des würgenden Lapithen und beifsen-
den Kentauren scheint allgemein als richtig zu gelten. Aber ähnlich wie beim
sitzenden Mann des Ostgiebels folgt auch für den Lapithen aus der sorgfältigen
Ausarbeitung der Flanke, dafs der linke Arm etwas höher und ohne zu berühren
an der Brust vorbeilief. Andererseits folgt die Unrichtigkeit der Ergänzung daraus,
dafs an dem zur Hälfte erhaltenen 1. Unterarm des Kentauren jede Spur der um-
fassenden 1. Hand des Lapithen fehlt. Grüttner mufs diese dicht an den Ellbogen
heranrücken, damit aber ihre Kraft völlig lähmen; in Wahrheit kann es für eine
solche Aktion nur einen Angriffspunkt, die Handwurzel, geben.
Die richtige Ergänzung ergiebt sich aus einem kleinen Fragment, das ein
Stück eines sehr vernachlässigten Daumens darstellt, der an einem Körper von flach
ovalem Querschnitt liegt. Das seltsame Stück kann nur in unserer
Gruppe untergebracht werden und erklärt sich als Rest des linken, von
der Linken des Lapithen gefafsten Pferdeohrs des Kentauren. Das Ohr
wurde von dieser Hand nicht ganz umfafst, sondern nur von vier
Fingern zusammengeprefst, während der Daumen untätig neben diesen
lag. Demnach ist die Gruppe so aufzufassen. Der Kentaur hat in dem
Augenblick, wo der Arm seines Gegners ihm die Kehle zudrücken will,
schnell die rechte Hand desselben mit seiner linken erfafst und sucht, indem er
jene nach unten zieht, den Winkel des Arms zu erweitern, d. h. die Umschnürung
zu lockern. Aber er begnügt sich nicht mit der Defensive; er fafst mit seiner freien
rechten Hand den Oberarm des Gegners, um den nun völlig gefesselten Arm in
aller Mufse durch Bisse verwunden zu können. Darum versucht nun der Lapith,
der auch noch eine Hand frei hat, ihn durch einen plötzlichen Schmerz zum Los-
lassen zu bewegen und rupft ihn unsanft am Ohre. Die Wirkung des Ganzen mufs
an’s Burleske streifen; mit dem, was der Westgiebel sonst wagt, verträgt sie sich
recht gut.
Auch die entsprechende Gruppe des Kentauren und Knaben läfst sich
noch vervollständigen. Treu hat die linke Hand des Kentauren ermittelt1 und aus


l) Arch. Anzeiger 1890, S. 61.
 
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