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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Sauer, Bruno: Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0052
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Sauer, Der Ostgiebel des olympischen Zeustempels.

Solange die Figuren dieses Giebels bekannt sind, hat man zugestehen
müssen, dafs eine streng symmetrische Aufstellung derselben nicht möglich
sei. Aber darüber war man uneinig, nach welchen Gesichtspunkten Strenge und
Freiheit gegen einander abzuwägen seien. Die Symmetrie der Massen und der
Funktionen haben Curtius und Flasch der der Stellungen und Bewegungen vorge-
zogen; Kekule opferte dieser die Symmetrie der Massen und der Funktionen; Treu
hat keinen der drei Gesichtspunkte streng eingehalten. Jetzt sehen wir auf’s neue,
dafs beides, Symmetrie und Asymmetrie, eine kaum zu vermeidende Consequenz
der gestellten Aufgabe war, aber wir sehen mit wirklicher Strenge nur die Sym-
metrie der Massen, annähernd auch die der Funktionen gewahrt, während die
schon hier in Einzelheiten herrschende Asymmetrie nur den Übergang bildet zu der
rücksichtslos der Charakteristik dienenden Asymmetrie der Stellungen.
Und Pausanias? Bei der neugewonnenen Anordnung der Mittelfiguren ist
es nicht im geringsten verwunderlich, dafs er die Männer vor den Frauen nennt;
wir gewinnen damit ein neues Beispiel für die Tatsache, dafs seinen Aufzählungen
nicht immer dasselbe Schema zu Grunde liegt, sondern dafs er es je nach der
Eigenart des Gegenstandes abwandelt63. Sonst macht nichts Schwierigkeiten: Pau-
sanias konnte sich Myrtilos nicht als alternden Mann denken und benannte deshalb
die Figuren falsch; er nahm es mit den Funktionen der um die Pferde beschäftigten
Leute nicht genau und machte so die Knechte zu Lenkern; endlich hielt er das
ganz von Männern umgebene Mädchen für einen Mann. Das ist alles, was ihm
vorzuwerfen ist.
Die ermittelte Aufstellung, in letzter Linie hervorgegangen aus den neuen
Anforderungen, welche Brunn und ihm folgend Six an die Komposition stellten,
kehrt, was die Flügel betrifft, annähernd zu Curtius’ Vorschlag, allerdings mit der
durch Studniczka eingeführten Vertauschung der Frauen, zurück; dafs dieser in
einem anderen wichtigen Punkte corrigirt werden konnte, ist das Verdienst Treu’s;
welcher der Überschätzung der Fundtatsachen gesteuert hat. Was die Deutung
anbelangt, so scheint die von Kekule vertretene Tendenz einer einfach menschlichen
Auffassung der beteiligten Gestalten, nicht allerdings die von Walz gezogene äufser-
ste Consequenz derselben gerechtfertigt; im einzelnen hat besonders Plasch’s Myr-
tilos und der von Treu erkannte Sklave des Pelops die äufsere Bestätigung gefunden.
So steckt in diesen neuen Vorschlägen ein gutes Teil jedes früheren; hoffentlich
wird das nicht Anlafs geben, sie mit Mifstrauen zu betrachten.
Rom. Bruno Sauer.

63) Vgl. Jahrbuch III S. 163 ff.
 
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