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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Sauer, Bruno: Nachträgliches zum olympischen Westgiebel
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0107
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Sauer, Nachträgliches zum olympischen Westgiebel.

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Kunstwerke einer Epoche, die solche Proben feinen Gefühls für das künst-
lerisch Zweckmäfsige geben kann, darf man nicht immer mit der Frage peinigen,
ob sie in das pedantische Schema althergebrachter Typik hineinpassen, und sie
dürfen auf schonendere Beurteilung besonders dann Anspruch erheben, wenn sie
unter so ungünstigen äufseren Bedingungen geschaffen werden wie eine Giebelgruppe.
Vergleichen wir die unsere mit dem Bilde der Wiener Vase. Für den zuletzt
Ankommenden war in jeder der beiden gegebenen, mit Figuren zu füllenden Räume
nur ein einziger Platz: in dem langgestreckten Bildstreifen der Anfang, in dem
Giebeldreieck die Mitte der Darstellung. Dort konnte Peirithoos durch einen
mäfsigen Abstand deutlich von dem Kampfgewühl getrennt werden, hier war es
unvermeidlich, ihn mitten in dieses hineinzustellen; konnte also die Verspätung
seines Eingreifens nicht wie dort durch räumliche Verhältnisse einfach motivirt
werden, so war ihm eine dieses Eingreifen erst vorbereitende Funktion zuzuweisen.
Dasselbe folgte aus der ebenso unvermeidlichen Notwendigkeit, den Rächer, der in
dem Vasenbild von der Bedrohten so weit als möglich entfernt ist, hier in ihre
nächste Nähe zu stellen. Das Problem war schwieriger, die Fösung geriet begreif-
licherweise künstlicher als in dem Vasenbild; Undeutlichkeit aber zum mindestens
kann man dem Künstler der Giebelgruppe nicht vorwerfen, denn dafs die rächende
Tat erst bevorsteht, ist hier ebenso deutlich durch die noch unfertige, dafür aber
fernwirkende, wie dort durch die nahewirkende Waffe des noch weit entfernten
Rächers ausgedrückt.
Auf die Aufstellung der Figuren haben diese Ansichten keinen Einflufs.
Auch wer den Pfeil bestreiten und die rechte Hand leer lassen wollte, miifste ver-
langen, dafs ihre bedeutsame Gebärde nicht verborgen bleibe, und das ist erst
möglich seit Treu’s Umstellung, die nur die eine Correctur zu fordern scheint, die
Mittelgruppen der Giebelmitte noch ein wenig zu nähern, um jene Hand voll sicht-
bar werden zu lassen.
Rom.

Bruno Sauer.
 
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