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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 6.1891

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Brueckner, Alfred: Zur Lekythos Tafel 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.37650#0210
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Brueckner, Zur Lekythos Taf. 4.

Aber gerade der Vergleich mit den eben herangezogenen Vasenbildern, auf
welchen die Schlange klein d. i. im natürlichen Verhältnifs zu dem Jüngling gebildet
ist, macht es eindringlich, wie sehr diese beiden mächtigen Schlangen auf unserer
Vase über die Natur und das Genrehafte hinaus gesteigert auftreten. Um deswillen
möchte ich die Möglichkeit einer mythologischen Deutung offen halten. In der
Branteghem’schen Sammlung zu Brüssel befindet sich seit kurzem eine schöne
Schale, deren Figuren der Besitzer auf den Mythos des Polyeidos und Glaukos
gedeutet hat1 \ Ich kenne sie nur aus einer Photographie beim Institut und entnehme
daraus, dafs der Zauberer Polyeidos, der den Sohn des Minos von den Todten
wieder erweckt, als Jüngling dargestellt ist. Auch auf unserer Vase erinnert
manches an diese Sage. Eine ~fhaoc, hatte dem Polyeidos verrathen, wo der Leich-
nam des Glaukos zu finden sei12. Das Beispiel zweier Schlangen, von denen die
eine ihre todte Gefährtin mit einem Kraute bedeckte und wieder belebte, hatte ihm
das Mittel angegeben, dem Körper des Königssohnes die Seele zurückzugeben13.
Es wäre möglich, dafs der vor den Schlangen entweichende Jüngling die Ranke,
die rechts unten vor ihm erscheint, gehalten habe, und es würde der oft ausge-
sprochenen Vermuthung, dafs die späte Version, wonach Glaukos in ein Honigfafs
gefallen war, aus einem Misverständnifs der alten Sitte der Bestattung in Honig
entstanden sei, nur entsprechen, wenn wir auf einer Vase des ausgehenden 6. Jahr-
hunderts ein Grabmal des Glaukos dargestellt fänden.
Indessen ich mag nicht diese Möglichkeit der Deutung positiv aufstellen, so
lange die Lesung der Inschrift nicht geglückt ist. Botho Gräf bemerkt zu dem
Buchstaben über dem V, dafs es sicher ein Omikron, dafs der darüber folgende
ein N oder 5, und dafs beim nächsten am Ende der zweiten Hasta der weifse Grund
abgesprungen sei. Vielleicht löst ein anderer das ‘vorliegende Problem.
Berlin. Alfred Brueckner.

n) Vgl. Furtwängler, Arch. Anz. 1891 S. 69. Zur
Sage vgl. Gaedechens in Roschers Mythol. Lexi-
kon Sp. i686f.
13) So in Euripides’rioXöstSos. Aelian 7iepl Ctjiiuv V,2.
13) Von der unteren Schlange ist links vom Kopfe
dicht am Bruche noch der Contur unter der

Ranke erhalten, wie P>. Gräf vor dem Original
ausdrücklich bezeugt. Nach ihm ist auch an
der scharf ausgebrochenen Spitze vor dem zwei-
ten Schlangenkörper noch eine geringe in der
Zeichnung nicht wiedergegebene Spur von dem
Körper jener Schlange vorhanden.
 
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