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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 10.1895

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Curtius, Ernst: Fragmente einer polychromen Lekythos im Berliner Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.39190#0115
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Curtius, Fragmente einer polychromen Lekythos im Berliner Museum.

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wurden nicht eingeritzt, sondern mit dem Pinsel aufgetragen. Der weifse Grund
verlangt eine besondere Sicherheit der Künstlerhand, und die neue Technik führt
unvermerkt aus dem Gebiete der Keramik in das der eigentlichen Malerei.
Das ist der Epoche machende Eintritt der λευκογραφία, den Athenagoras
[leg. pro Christianis in Sanct. Patrum Opp. polemica III 140) dem Sikyonier Kraton
zuschreibt, der zuerst auf eine geweifste Tafel die Gestalten aufgemalt und so die
σκιαγραφία des Thonmalens in die γραφική hinübergeführt habe (έν πίνακι λελευκωμενω
σκιάς άνδρός και γυναίκας έναναλείψας).
Das Überziehen einer Holztafel mit feinem Stuck ist also auf die Thonfläche
angewendet, zuerst mit blofser Contourzeichnung und sparsamster Anwendung der
Farbe. So ist Aristoteles (poet. 6) zu verstehen, wo ein verschwenderischer Auf-
wand von Farbe der strengen Einfalt weifsgrundiger Linienmalerei entgegengesetzt
wird (ει τις έναλείψειε τοΐς καλλίστοις φαριχάκοις χύδην, ουκ ά!ν ομοίως ευφράνειεν και λευκο-
γραφήσας εικόνα). Auch von Zeuxis gab es monochromata ex albo, Kunstwerke, die
ich nicht mit Brunn (Kiinstlergesch. II 81) auf ein chiar-oscuro deuten kann. Wie
lange diese bescheidenen Monochrome, deren Schönheit der Philosoph zu würdigen
wufste, in Geltung geblieben sind, zeigt das Niobebild aus Herculaneum (Stark,
Niobe S. 157; Otto Jahn, Archäol. Beiträge S. 393). Auf dieser Tafel ist sogar
der Meistername des Atheners Alexandros erhalten.
Von dem Übergang rothfiguriger Technik in die Leukographie geben zwei
Lekythen unseres Museums ein merkwürdiges Beispiel. Sie sind von fast gleicher
Höhe und vollkommen gleicher Darstellung. Die eine zeigt ein Mädchen auf
schwarzem, die andere auf weifsem Grunde, mit ihrem Wasserkrug am Brunnen
beschäftigt. Damals schwankte der Geschmack zwischen beiden Arten der Technik.
Als der weifse Grund Mode wurde, blieb er zuerst auf die Bauchfläche be-
schränkt; dann dehnte er sich auf die Schulter des Gefäfses aus, so dafs nur Hals,
Mündung und Henkel schwarz blieben.
Auch die weifsgrundigen Lekythen haben ihre geschichtliche Entwicklung.
In älterer Zeit behielten sie die bescheidene Form kleiner, tragbarer Gefäfse. Was
die Darstellung betrifft, so werden die sepulcralen Motive, die schon auf schwarz-
figurigen Lekythen (Stackeiberg, Gräber der Hellenen I. 38) und dann in rothfigu-
riger Technik einzeln Vorkommen (Furtwängler, Vasensammlung n. 2426 und Fig. 427),
immer mehr zur Regel (Benndorf, Griech. und Sicil. Vasenbilder S. 7). Die weifse
Grabstele bildet den Mittelpunkt, und die Gruppirung um dieselbe ist ursprünglich
ein durchaus der Wirklichkeit entnommenes Bild, indem es uns die am Grabe sich
begegnenden Angehörigen zeigt; auch wird neben der Grabstele der niedrige Grab-
hügel noch besonders dargestellt.
Dann mischen sich Vorstellungen und Bilder ein, die nicht der sichtbaren
Welt angehören. Dem Grabhügel wird durch Schlange und umherflatternde Eidola
eine symbolische Weihe gegeben (Monum. dell' Inst. VIII 5). Die Gemälde er-
halten, so zu sagen, einen lyrischen Ton, indem sie uns in die Empfindungswelt
der Menschen versetzen und Übersinnliches darstellen. Wir sehen Frauengestalten
 
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