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von Fritze, Zum griechischen Opferritual.

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d. h. ihm von unten die Kehle durchschneiden, sodaß das Blut gerade in die Grube
läuft«. So die treffende Interpretation Stengels26, die nur dahin abzuändern ist,
daß der Stich in die Halsschlagader auch von oben geschehen konnte, wie die
Monumente zeigen. Zu diesem Zweck wird dem Tier der Kopf zurückgebogen.
Dies darf uns nicht hindern, ein chthonisches Opfer anzunehmen, da anders das
λαιμοτομείν in dieser Stellung nicht auszuführen war27. Und wenn man die Annahme
vermeiden will, daß nicht überall und zu jeder Zeit die Sitte bestanden zu haben
braucht, den Kopf des Opfertieres aufwärts bezw. abwärts zu lenken, je nach der
Art der zu verehrenden Gottheit28, so hätte man nur die aus der Situation sich er-
gebende Folgerung zu ziehen, daß das Richten des Kopfes nach erfolgtem Ein-
schnitt geschah. Es kommt hinzu, daß wir auf den abgebildeten Münzen als Opfer-
tiere Schafe finden, von denen Stengel a. a. O. richtig bemerkt, daß sie allein
ursprünglich bei den Opfern an Tote und Unterirdische verwandt wurden und auch
später immer ihr gewöhnliches Opfer blieben29. Wo also Nike dargestellt ist als
Opferin des Widders, wird man dieselbe Voraussetzung zu machen haben. Dem
widerspricht scheinbar, daß dieselbe Göttin ebenso häufig an einem Rind das
έντέμνειν vollzieht — aber nur scheinbar. In seiner oben genannten Abhandlung
fährt Stengel nämlich fort: »Ja ich glaube behaupten zu dürfen, daß nur den in
Schlachten Gefallenen und als Heroen verehrten Helden Stiere geopfert worden
sind«. Gibt es nun eine berufenere Opferin im Kulte für gefallene Helden als Nike?
Also schließt sich diese Gruppe von Nikedarstellungen aufs engste denen an, in
welchen sie dem siegreichen Helden die Spende ministriert, die Tänie überreicht
oder ihn bekränzt. Hier bringt sie ihm das Totenopfer und zwar εις βόθρον, wie
in dem Falle der terminus lautet30. Es ist die Illustration für ein Opfer, wie es z. B.
von den Plataeern dargebracht wurde, von denen es heißt (Plut. Arist. 21, 2): ύπε-
δέξαντο τοις πεσούσι και κειμενοις αύτόθι των ' Ελλήνων έναγίζειν καθ’ έκαστον ένιαυτόν κτλ.
Die monumentale Verherrlichung eines Sieges, wie sie auf den Goldstateren vorliegt,
entspricht also dem Bestreben, ein dauerndes Erinnerungszeichen an die Tapferen
zu schaffen, wie bei den jährlichen Opfern seitens der dankbaren Stadt. Eine aus-
drückliche Bestätigung für unsere Interpretation des Opferschemas bietet der Relief-
schmuck eines römischen Totenaltars, den Cavaceppi (Raccolta, Bd. 3 Taf. XXVI)
veröffentlicht hat. Er trägt in der Mitte der Vorderseite die Weihung DIS
MANIBVS u. s. w. und unterhalb zwei stieropfernde, gegenübergestellte Niken
wieder in den Situationen vor und nach der Kehlöffnung. Dürfen wir bei diesem

26) Zeitschr. f. Gymnasialwesen 1880, S. 742; dazu
Sakralaltert.2, S. 120 und 127.
2i) Das bestätigen auch die Worte bei Orph. Arg.
313, wo es sich um eine πίστις έφ’ ήρώεσσι και
δρκια handelt:
και τότε δή κραντήρα βοών περιμήκεα ταύρον
σφάζεν άνακλίνας κεφαλήν εις αιθέρα δϊον . . .
Vgl. Stengel, Hermes, Bd. 25, S. 322, Anm. 2.

28) Die hierauf bezügliche Überlieferung bei Stengel,
Zeitschr. f. Gymnasialw. 1880, S. 737 ff.
29) Stengel a. a. O., S. 743 und in Festschrift für
L. Friedländer, S. 415.
30) Vgl. Paus. 5, 13, 2—9, 39, 6. Apoll. Rhod. Arg.
3, 1031 ff., auch εις την γην bei Schol. Apoll.
Rhod. 1, 587 mit der Emendation von H. Diels,
Sibyll. Blätter, S. 72. Vgl. Stengel, Sakral-
altert. 2, S. 17 f.
 
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