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von Fritze, Zum griechischen Opferritual.

Monument der Spätzeit zwar nicht mehr aus der Darstellung darauf schließen, daß
der Tote, dem der Altar errichtet war, siegend im Kampfe gefallen, so ist die
chthonische Bedeutung des Stieropfers durch Nike doch auch hier noch nicht verblaßt.
Nun wird uns erst klar, was das αί'ρεσθαι bedeutet. Man meinte bisher, daß
das praktische Bedürfnis bei diesem Opfer sowohl wie bei dem Gegenstück, dem
έντέμνειν, eine Rolle gespielt habe. Wenn es galt, den Altar mit Blut zu besprengen,
so habe man das Tier zu ihm emporgehoben, sollte das Blut in die Grube fließen,
so habe man den Halsschnitt an deren Rand vollzogen. Aber wie, wenn andere
Stellen dartun, daß man das Blut in Schalen auffing, um den Altar zu benetzen und
wenn man es um die Grube goß? Bestimmend für die Haltung des Tieres war
nicht diese praktische Erwägung, sondern unzweifelhaft religiöses Empfinden31:
Das Opfertier wurde auf die Erde gedrückt, wenn man es chthonischen
Wesen und Toten darbrachte; es wurde von der Erde aufgehoben, daß
es sie nicht mehr berühren konnte, wenn es galt, den Olympiern zu
opfern. Dies war das Ursprüngliche und wie sich die alten Formen im Laufe der
Zeiten abschwächen, so trat an ihre Stelle hier und da das Auf- und Hinabbiegen
des Tierkopfes. Doch die alte Opfersitte blieb bestehen, z. B. im Kult von Eleusis,
in Ilion und in dem von Platon erwähnten Poseidonheiligtum.
Forschen wir nach einem Ausdruck, welcher die Situation des Opfertieres
im chthonischen Kult bezeichnet, so weisen uns die homerischen Gedichte den Weg.
Bei dem Totenopfer des Odysseus heißt es (κ. 526ff.):
αύτάρ έπήν εύχήσι λίση κλυτά έ'θνεα νεκρών
ένθ’ οίν άρνειον ρέζέιν θήλύν τε μελαίναν
εις ερεβος στρέψας κτλ.
Der Wortlaut läßt als Objekt zu στρέψας nicht den Kopf des Schafes zu, wie man
bisher übersetzte, sondern nur das ganze Tier. Nicht anders wird Plut. Pelopid. 22
verstanden werden dürfen, wo mit Stengels Verbesserung32 zu lesen ist: Έκ τούτου
λαβόντες την ίππον έπι τους τάφους ήγον των παρθένων και κατευςάμενοι και καταστρέψαντες
ένέτεμον κτλ. Der Hergang ist entsprechend dem Ritual: Gebet, Niederwerfen des
Tieres und Kehlschnitt. Das καταστρέφειν hat in engster Verbindung mit ένέτεμον
als Objekt την ίππον. Da aber, wie die Monumente lehren, gerade beim έντέμνειν
der Kopf aufwärts gezogen werden mußte, gleichviel wem das Opfer galt, so kann
das καταστρέφειν unmöglich, wenn es dem έντέμνειν voraufgeht, die Kopfsenkung aus-
drücken, die höchstens dem Kehlschnitt folgte, sondern nur ‘niederwerfen’ bedeuten.
Ich trage daher kein Bedenken, das καταστρέφειν geradezu als Gegenstück des αιρεσθαι
in der sakralen Terminologie zu bezeichnen. Im übrigen ist es nicht verwunderlich,
wenn das Niederdrücken des Tieres meist übergangen wird. Entweder es ist in
Ausdrücken, wie έναγίζειν u. ä. einbegriffen, oder Zusätze, daß das Opfer ως ηρωι
dargebracht wurde, schlossen es ein.
31) Vgl. W. Schulze, quaest. epic., S. 58. 32) Hermes, Bd. 25, S. 322 (mit Berücksichtigung
der Lesart des Palatinus).
 
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