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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 29.1914

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Meurer, Moritz: Form und Herkunft der mykenischen Säule
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https://doi.org/10.11588/diglit.44616#0011
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FORM UND HERKUNFT DER MYKENISCHEN SÄULE.

Die eigentümliche Form der mykenischen Säule hat die Kunstforschung schon
öfter beschäftigt, namentlich ihre abwärtsgerichtete Schaftverjüngung, die von
Anfang an so unwahrscheinlich dünkte, daß T. L. Donaldson in seiner Rekonstruk-
tion einer der Halbsäulen der sogenannten Atreustholos in Mykene diese bekanntlich
umgekehrt darstellte, indem er ihr Kapitell als Basis annahm. Wurde dieser Irrtum
nun auch bald aus den später nachgewiesenen Standspuren der Säulen erkannt,
so blieb der Zweifel an jener, dem allgemeinen Schema des Altertums widersprechen-
den Schaftverjüngung wenigstens für die Steinsäule mykenischer Zeit für manche
Gelehrte und Künstler auch weiter bestehen. Schloß sich doch ein so namhafter
Architekt und Kunstgelehrter wie Jos. Durm noch vor wenigen Jahren in den Jahres-
heften des österr. Archäologischen Instituts (Band X, 1907) in einem Artikel über
vormykenische und mykenische Architekturformen diesem Zweifel an, indem er
an der Hand der Säule des mykenischen Löwentores und der Atreustholossäulen
sowie eines Säulenstumpfes des von Frau Schliemann geöffneten Kuppelgrabes
die rein zylindrische Bildung des mykenischen Schaftes zu beweisen, die gegenteilige
Ansicht aber durch von ihm gegebene Maße und eine Photographie des Löwentores
als auf irrtümlichen Beobachtungen beruhend zu entkräften suchte.
Entscheidend für die Sicherung der fraglichen Verjüngung ist die unterdessen
mit Hilfe der Schaftstücke aus der Sammlung des Lord Sligo erfolgte Zusammen-
setzung der Halbsäulen der Atreustholos im Britischen Museum, welche Jos. Durm,
der die genannten Bruchstücke nur vor ihrer Eingliederung in diese Restauration
untersuchen konnte, bei Niederschrift seines Artikels noch nicht vor sich hatte.
Ist darnach das Urteil über die Frage jetzt wohl übereinstimmend, so dürfte
es doch am Platze sein, das Resultat verschiedener unmittelbarer Messungen zu
geben, die diese Verjüngung zahlenmäßig feststellen, und daran anschließend eine
schon früher von mir angedeutete Erklärung dieser von den sonstigen Säulenbildungen
des Altertums abweichenden Erscheinung eingehender zu begründen.
Von jenen beiden im Britischen Museum in ihrer vormaligen Position zu Seiten
der Grabtüre aufgestellten Säulen der Atreustholos ist es namentlich die linke vom
Beschauer, die ihren Schaftverlauf bis über 4 m Höhe (nur der oberste Teil ist er-
gänzt) an den Originalstücken genau verfolgen läßt. Dieselbe wurde von mir unter
freundlicher Kontrolle des Herrn Architekten Phene Spiers in London aller halben
Meter hoch gemessen. Wenn sich dabei nun auch infolge des dem Schafte eingear-
beiteten ornamentalen Reliefs kleine Schwankungen ergaben, so war doch nach
allen Richtungen eine stets steigende Verdickung des Schaftes nach oben ohne jeden
Jahrbuch des archäologischen Instituts XXIX. I
 
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