F. Hauser, Orpheus und Aigisthos.
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Abb. 1. Hydria in Boston.
Schlechterdings nicht unterzubringen sind in dem neugebackenen Mythos
zwei Figuren auf der Hydria in Boston 432, von Gruppe mit G bezeichnet, welche
wir nach dem Titelbild von Robinsons Vasenkatalog in Abb. I reproduzieren, näm-
lich zwei thrakische Epheben rechts und links am Ende der von beiden Seiten auf
die Mitte, auf Orpheus zu, stürmenden Halbchöre der Thrakerinnen. Demnach
stehen beide Epheben dicht nebeneinander am Ansätze des Vertikalhenkels der
Hydria. Einer der Jungen duckt sich, versteckt sich hinter Gebüsch. Da demnach
der Maler Charakteristik beabsichtigt, handelt es sich nicht um Lückenbüßer, sondern
um bedeutsame Gestalten, deren Verwertung die Exegese sich nicht ersparen darf.
Ich sehe in ihnen thrakische Epheben, die wie auf dem wohlbekannten Krater aus
Girgenti (Furtwängler, Kleine Schriften II, Tafel 50) sich um Orpheus scharten
und seinem Sange lauschten. Beim Hereinbrechen des wilden Weiberheers ziehen
jedoch die jungen Helden Deckung im Schatten des Waldes vor.
Die Richtigkeit meiner Auffassung bestätigt sich durch jene weiteren, von
Loeschcke beiseite gelassenen Vasenbilder, welche einen der Tötung des Orpheus
vorausliegenden Moment des Mythos als Vorwurf wählen, und welche uns die Version,
auf welche die Betrachtung der Bostoner Hydria führte, geradezu vor Augen stellen.
Ich meine damit die Vasen
a) Hydria in Rouen, zugänglich abgebildet in Roschers Lexikon III, 1181.
Andere Zitate gibt Reinach im Repertoire des Vases I, 403.
b) Kelchkrater mit Doppelfries in Neapel, Heydemann n. 2889. Verhältnis-
mäßig am besten abgebildet im Museo Borbonico IX, 12; danach hier in Abb. 2.
Beide Vasen sind zwar etwas, aber doch nur unbedeutend jünger als die von
Loeschcke besprochenen, da sie in die Zeit zwischen 460 und 450 gehören, während
die Bostoner Hydria sich enge mit den jüngsten Werken der »Frau Meisterin« (Furt-
wängler-Reichhold II S. 308), somit Werken der sechziger Jahre berührt.
Die Hydria a, welche nur fünf Gestalten Raum bietet, schildert Orpheus beim
Leierspiel auf dem Pangaion, vor ihm als Zuhörer ein Thraker, der überrascht die
Hand erhebt, überrascht ohne Zweifel dadurch, daß er eine bewaffnete Thrakerin
heranstürmen sicht, die auf der Vase, halb vom Henkel verdeckt, das Bild links
abschließt. Dem Weib gegenüber am entsprechenden Platze rechts steht dagegen
eine zweite Thrakerin mit Speer, völlig ruhig, indem sie auf Orpheus blickt. Ich
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Abb. 1. Hydria in Boston.
Schlechterdings nicht unterzubringen sind in dem neugebackenen Mythos
zwei Figuren auf der Hydria in Boston 432, von Gruppe mit G bezeichnet, welche
wir nach dem Titelbild von Robinsons Vasenkatalog in Abb. I reproduzieren, näm-
lich zwei thrakische Epheben rechts und links am Ende der von beiden Seiten auf
die Mitte, auf Orpheus zu, stürmenden Halbchöre der Thrakerinnen. Demnach
stehen beide Epheben dicht nebeneinander am Ansätze des Vertikalhenkels der
Hydria. Einer der Jungen duckt sich, versteckt sich hinter Gebüsch. Da demnach
der Maler Charakteristik beabsichtigt, handelt es sich nicht um Lückenbüßer, sondern
um bedeutsame Gestalten, deren Verwertung die Exegese sich nicht ersparen darf.
Ich sehe in ihnen thrakische Epheben, die wie auf dem wohlbekannten Krater aus
Girgenti (Furtwängler, Kleine Schriften II, Tafel 50) sich um Orpheus scharten
und seinem Sange lauschten. Beim Hereinbrechen des wilden Weiberheers ziehen
jedoch die jungen Helden Deckung im Schatten des Waldes vor.
Die Richtigkeit meiner Auffassung bestätigt sich durch jene weiteren, von
Loeschcke beiseite gelassenen Vasenbilder, welche einen der Tötung des Orpheus
vorausliegenden Moment des Mythos als Vorwurf wählen, und welche uns die Version,
auf welche die Betrachtung der Bostoner Hydria führte, geradezu vor Augen stellen.
Ich meine damit die Vasen
a) Hydria in Rouen, zugänglich abgebildet in Roschers Lexikon III, 1181.
Andere Zitate gibt Reinach im Repertoire des Vases I, 403.
b) Kelchkrater mit Doppelfries in Neapel, Heydemann n. 2889. Verhältnis-
mäßig am besten abgebildet im Museo Borbonico IX, 12; danach hier in Abb. 2.
Beide Vasen sind zwar etwas, aber doch nur unbedeutend jünger als die von
Loeschcke besprochenen, da sie in die Zeit zwischen 460 und 450 gehören, während
die Bostoner Hydria sich enge mit den jüngsten Werken der »Frau Meisterin« (Furt-
wängler-Reichhold II S. 308), somit Werken der sechziger Jahre berührt.
Die Hydria a, welche nur fünf Gestalten Raum bietet, schildert Orpheus beim
Leierspiel auf dem Pangaion, vor ihm als Zuhörer ein Thraker, der überrascht die
Hand erhebt, überrascht ohne Zweifel dadurch, daß er eine bewaffnete Thrakerin
heranstürmen sicht, die auf der Vase, halb vom Henkel verdeckt, das Bild links
abschließt. Dem Weib gegenüber am entsprechenden Platze rechts steht dagegen
eine zweite Thrakerin mit Speer, völlig ruhig, indem sie auf Orpheus blickt. Ich