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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 29.1914

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Weigand, Edmund: Baalbeek und Rom, die römische Reichskunst in ihrer Entwickelung und Differenzierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.44616#0048
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E. Weigand, Baalbek und Rom, die römische Reichskunst in ihrer Entwickelung und Differenzierung.

mäßig verdrängt und eine lateinische Welt im Westen der griechischen im Osten ent-
gegengesetzt. Vom Anfang an war Rom auf dem wichtigsten geistigen Gebiete
gezwungen und gewohnt, fremde Werte umzusetzen. Das ist grundlegend für die
ganze weströmisch-lateinische Kultur: nur so gab es eine Möglichkeit, trotz aller
Hereinnahme griechischen Kulturgutes durch eine gewisse Auswahl stofflich, durch
Nach- und Umprägung formal eine sich gemäße Selbständigkeit des geistigen Lebens
und seiner Ausdrucksformen zu wahren, die stärker als alle hellenistischen Zentren
losgelöst war von ihrem Quellboden: um es so auszudrücken, Rom will keine Fremd-
wörter, nur Lehnwörter in seinem Formenschatz. Religionsgeschichtlich (z. B.
Hermes j> Mercurius) und literargeschichtlich (z. B. neuere attische Komödie j>
Plautus) ist das längst klarer erkannt als kunstgeschichtlich; aber es verhält sich
doch ganz gleich hier: Bauten italisch-korinthischen Stils in hellenistischer Zeit sind
formal so eigenartig, daß sie allem gegenüber, was in den östlichen Mittelmeerstaaten
geschaffen wurde, eine Sonderstellung beanspruchen, und, was nicht minder wichtig
ist: diese Sonderformen werden schon damals in die kaum kolonisierten Gebiete
weitergegeben; Gallia cisalpina, Istrien und Südgallien erhalten schon so früh ita-
lisch-hellenistische Formen: das Vorkommen des italisch-korinthischen Kapitells
in Aquileja, Mailand und Lyon spricht klarer als viele Erwägungen *).
Doch begnüge ich mich hier mit diesem vereinzelten Hinweis; die Aufgabe,
die ich mir stelle, geht im Avesentlichen auf die Kaiserzeit: das Verhältnis von Ost
und West, der östlichen Provinzen untereinander und zu Rom und seinen westlichen
Einflußgebieten an der architektonischen Formensprache zu untersuchen. Das
Architekturornament verbürgt mir dabei einen doppelten Vorteil; die Datierung
ist vielfach inschriftlich gesichert, in anderen Fällen aus einer Vielheit von Argu-
menten nicht bloß stilistischer Natur: Baumaterial, Technik, Inschriftcharakter
usw., sicherzustellen, sodaß für die schließlich übrig bleibenden die stilistische Analyse
ohne viele Irrtumsmöglichkeiten ihre Folgerungen ziehen kann; was aber besonders
wertvoll ist, die Reihe der Denkmäler gibt uns einen Maßstab für die Bodenständig-
keit der Formen, deren wir bei einem beweglichen Kunstwerk niemals von vorn-
herein sicher sind, da der antike Kunsthandel nicht nur innerhalb des Landes, sondern
auch, manchmal sogar leichter, über die See von Hafen zu Hafen austauschte. Wenn
wir nun auch für bestimmte Fälle wüßten, daß z. B. kleinasiatische Künstler in Rom
tätig waren, so bietet uns die Kenntnis kleinasiatischer Formensprache sofort die
Möglichkeit, Einsprengsel als solche zu erkennen, andererseits gibt uns die mehr-
hundertjährige Reihe der Denkmäler in Rom die Sicherheit, daß eine Beständigkeit
der Formenauffassung und -Wiedergabe besteht, die ihre tiefen Wurzeln im ganzen
geistigen Charakter Roms hat und darum nicht ohne weiteres durch herzuwandernde
Künstler grundstürzend beeinflußt werden kann. Diesen tiefen Wurzeln nachzugehen,
bleibt als letzte, schwerste Aufgabe einer ganz weitausgreifenden Forschung Vorbe-
halten, uns kommt es nur auf die Ausdrucksformen an, und dabei wird sich heraus-
T) Aquileja: Durm, Bauk. d. Etrusk. u. Röm. Mus. Sforz., wahrscheinlich vom röm. Theater;
Stuttgart 2 1905 f. 429 zu S. 392; Mailand: Lyon: Bazin, Vienne et Lyon gallo-romain,
Paris. 1891, 329 t.
 
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