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Deutsches Archäologisches Institut [Hrsg.]; Archäologisches Institut des Deutschen Reiches [Hrsg.]
Jahrbuch des Deutschen Archäologischen Instituts: JdI — 38/​39.1923/​1924(1924)

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Matz, Friedrich: Das Motiv des Gefallenen
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https://doi.org/10.11588/diglit.44819#0013
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DAS MOTIV DES GEFALLENEN.
I. DIE ÄGYPTISCHE KUNST.
Wenn hier vom Motiv des Gefallenen und von seiner Geschichte in der antiken
Kunst die Rede sein soll, so ist der Begriff dabei in seinem weitesten Umfang gemeint.
Im eigentlichen Sinne ist ein Gefallener eine Figur, die im Kampfe besiegt wurde
und am Boden liegt. Dieses Liegen kann aber unter Umständen mit sehr lebhafter
Bewegung einzelner Glieder verbunden sein. Infolgedessen ist die Grenze zwischen
den Motiven des Fallens und des Gefallenseins flüssig, so daß auch die ersteren in
weitem Umfange hier heranzuziehen sind. Anderseits kann ein Gefallener auch
so ruhig daliegen, daß sich sein Bild in keiner Weise von dem eines Gelagerten oder
Schlafenden unterscheidet. Daraus ergibt sich, daß auch die Motive des Liegens
überhaupt in den Kreis dieser Untersuchung fallen.
I.
Die ägyptische Kunst der vordynastischen Zeit gehört ganz und gar, die der
sogenannten Frühzeit im wesentlichen in den Bereich der primitiven Kunstübung,
d. h. sie steht entwicklungsgeschichtlich auf derselben Stufe wie die Kunst der Kinder
und Naturvölker. Ihre Bilder werden also einerseits durch das Fehlen jedes archi-
tektonisch-dekorativen Prinzips T) und anderseits durch die Anwendung des so-
genannten ideoplastischen oder Aufbauverfahrens bei der Zeichnung gekennzeichnet.
Vorstellungs-, Wirklichkeits- oder Gegenstandsbild sind andere Namen für dieselbe
Sache.
Es folgt hieraus, daß es für den primitiven Zeichner da, wo das Thema des
Bildes einen liegenden Menschen verlangte, ein eigentliches Problem überhaupt nicht
gab oder höchstens in demselben Sinne wie bei der Darstellung aufrechter Figuren.
Kopf und Rumpf, Arme und Beine, und was man sonst noch als integrierenden Teil
des Körpers auffassen mochte, sind ja hier wie dort vorhanden und müssen also auch
im Bilde sichtbar sein. Daß sie sich teilweise verdecken, überschneiden und ver-
kürzen, wird ja selbst bei der aufrechten Gestalt, für die man doch über einen viel
größeren Schatz von Erfahrungen und Beobachtungen verfügte, nicht berücksichtigt.
Für den Liegenden kam es natürlich noch viel weniger in Betracht. Die Art und Weise,

*) L. Curtius, Antike Kunst 19.

Jahrbuch des archäologischen Instituts XXXVIII/IX 1923/24.
 
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