Die Ruinenstadt.
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Rom? Doch dort, nur auf einen Augen-
blick durch eine Quergasse sichtbar, steigt die
Peterskuppel auf, und dort, wo die Straße
sich senkend scharf rechts biegt, ragt jenseits
einer Lücke zwischen den hohen Hausern aus
einer tiefen Senkung eine gelblich weiße
Riesensäule empor, die Säule Trajans.
Wir sind wirklich in Rom!
Aber freilich, das antike Rom muß
man suchen. Nur im Süden der weiten
Stadt besteht es noch in einigermaßen zu-
sammenhängenden Resten, sonst taucht es
nur hie und da in einzelnen wuchtigen
Trümmern auf, eiugeschlossen und verbaut
in oft recht dürftigen Gassen und Häusern
einer kleinen Zeit. Was heute zunächst
ins Auge fällt und den Eindruck bestimmt,
das ist eine ganz moderne Stadt, oder eine
Stadt des siebzehnten und achtzehnten
Jahrhunderts, in der die Denkmäler der
Renaissance, geschweige denn die des Mittel-
alters nur vereinzelt hervortreten, eine
Stadt, die auf den ersten Blick viel weniger
Altertümliches hat, als etwa das um soviel
jüngere Florenz. „Es ist ein verdrießliches
Geschäft," sagt Goethe, „das alte Rom aus
dem neuen hcrauszuklauben." Aber wir
suchen nicht nur das alte, wir suchen das
ganze Rom, und wir werden dabei immer
wieder unwiderstehlich gefesselt durch eins:
Rom ist, wie es eben heute ist, etwas ganz
anderes als jede andere Stadt. Es ist
zugleich eine Stadt und eine Landschaft,
es bietet einen beständigen Wechsel zwischen
dichtbevölkerten Vierteln und einsamen halb-
verwilderten Gärten, Parks, Viguen, zwischen
Straßen, in denen das volle Leben braust,
und Gäßchen und Plätzen, die heute noch
so still und leer sind, wie vor einigen
hundert Jahren, zwischen Denkmälern aller
Zeiten und den allermodernstcn Bauten.
Und das alles ist ausgebrcitet über Hügel
und Thäler, und stellt in fortwährend sich
ändernden unendlich mannigfachen Bildern
ein malerisches Ganze ohne Gleichen dar.
2. Die Ruinenstadt.
Capitol, Forum, Palatin mit ihrer
nächsten Umgebung bilden heute die Ruinen-
stadt, wie sie im Altertum den Mittelpunkt,
den Kern Roms gebildet haben. Schnur-
gerade läuft die Hauptstraße des päpstlichen
Rom, der Corso, auf die Nordspitze des
Abb. 69. Fontana Trevi.
Nach einer Photographie von Gebr. Alinari in Florenz. (Zu Seite 68.)
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Rom? Doch dort, nur auf einen Augen-
blick durch eine Quergasse sichtbar, steigt die
Peterskuppel auf, und dort, wo die Straße
sich senkend scharf rechts biegt, ragt jenseits
einer Lücke zwischen den hohen Hausern aus
einer tiefen Senkung eine gelblich weiße
Riesensäule empor, die Säule Trajans.
Wir sind wirklich in Rom!
Aber freilich, das antike Rom muß
man suchen. Nur im Süden der weiten
Stadt besteht es noch in einigermaßen zu-
sammenhängenden Resten, sonst taucht es
nur hie und da in einzelnen wuchtigen
Trümmern auf, eiugeschlossen und verbaut
in oft recht dürftigen Gassen und Häusern
einer kleinen Zeit. Was heute zunächst
ins Auge fällt und den Eindruck bestimmt,
das ist eine ganz moderne Stadt, oder eine
Stadt des siebzehnten und achtzehnten
Jahrhunderts, in der die Denkmäler der
Renaissance, geschweige denn die des Mittel-
alters nur vereinzelt hervortreten, eine
Stadt, die auf den ersten Blick viel weniger
Altertümliches hat, als etwa das um soviel
jüngere Florenz. „Es ist ein verdrießliches
Geschäft," sagt Goethe, „das alte Rom aus
dem neuen hcrauszuklauben." Aber wir
suchen nicht nur das alte, wir suchen das
ganze Rom, und wir werden dabei immer
wieder unwiderstehlich gefesselt durch eins:
Rom ist, wie es eben heute ist, etwas ganz
anderes als jede andere Stadt. Es ist
zugleich eine Stadt und eine Landschaft,
es bietet einen beständigen Wechsel zwischen
dichtbevölkerten Vierteln und einsamen halb-
verwilderten Gärten, Parks, Viguen, zwischen
Straßen, in denen das volle Leben braust,
und Gäßchen und Plätzen, die heute noch
so still und leer sind, wie vor einigen
hundert Jahren, zwischen Denkmälern aller
Zeiten und den allermodernstcn Bauten.
Und das alles ist ausgebrcitet über Hügel
und Thäler, und stellt in fortwährend sich
ändernden unendlich mannigfachen Bildern
ein malerisches Ganze ohne Gleichen dar.
2. Die Ruinenstadt.
Capitol, Forum, Palatin mit ihrer
nächsten Umgebung bilden heute die Ruinen-
stadt, wie sie im Altertum den Mittelpunkt,
den Kern Roms gebildet haben. Schnur-
gerade läuft die Hauptstraße des päpstlichen
Rom, der Corso, auf die Nordspitze des
Abb. 69. Fontana Trevi.
Nach einer Photographie von Gebr. Alinari in Florenz. (Zu Seite 68.)