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162

An der latinischen Küste. Ostia.

die Straße nach dem Sabinergebirge be-
herrschend, in einer überaus günstigen Po-
sition; kein Wunder, daß sie die Patrizier
zur Nachgiebigkeit zwangen.
2. An der latinischen Küste.
Zur Campagna gehört ihre Küste. Frei-
lich ist, seitdem die Tibermündung, der ein-
zige natürliche Hafen auf der ganzen langen
Strecke, versandet und dadurch für größere
Seeschiffe unfahrbar geworden ist, die Be-
deutung Roms als Seestadt fast verschwunden,
und die Küstenstädte Latiums sind verödet
oder verschollen, auch weil die Campagna,
ihr Hinterland, selbst verödete, aber die Ent-
wickelung Roms und Latiums ist ohne die
latinische Küste nicht ganz verständlich.
Nach den alten Tiberhäfen Ostia und
Portus kann man noch heute auf dem Flusse
selbst gelangen, etwa auf einem der kleinen
Schleppdampfer, die bis Rom heraufkommen.
Es ist eine eintönige Fahrt zwischen menschen-
leeren, sandigen Ufern und Resten antiker
Quadermauern. Den besten Weg bietet die
Eisenbahn, die von der großen Linie nach
Civita vccchia bei Galera abzweigt und
schnurgerade an den Sümpfen von Maccarese
vorüber bis Fiumicino läuft. Bald tauchen
in der weiten grünen Ebene rotbraune
Trümmer auf, die Reste von Portus: die
Stadtmauer mit dem Bogen Trajans als
Thor, die uralte Kirche Sant' Ippolito,
daneben der Palast des Fürsten Torlonia,
dem die große Tennta Porto, altes Kirchen-
gut, gehört, weiter nach Westen hin rechts
ein fast kreisförmiger, sumpfiger, seichter See,
der alte Hafen Trajans. Auf dem von ihm
erbauten Kanal, dem nunmehrigen rechten
Tiberarm, bewegt sich wieder der ganze
Flußverkehr, seitdem diese schmale, aber
gleichmäßig tiefe Wasserstraße 1612 gereinigt
und wiederhergestellt worden ist; aber er
konzentriert sich heute nicht in dem ver-
ödeten Porto, sondern in Fiumicino, das
erst 1823 dicht an der modernen Mün-
dung des rechten Tiberarmcs unter dem
Schutze eines 1773 erbauten Kastells ent-
standen ist. Seitdem ist der linke Haupt-
arm vernachlässigt, und das an ihm gelegene
Neu-Ostia, die Erbin des alten Ostia, ist
ebenso verkommen wie Porto. Zwischen den
beiden Tiberarmen dehnt sich die Jsola sacra
aus, eine menschenleere Sandsteppe, im Früh-

ling von einem bunten Blumenteppich be-
kleidet und von Wachtelschwärmen belebt,
die eine willkommene Bente der jagdlustigen
Römer sind, im Sommer verbrannt und
kahl, eine glühende Wüste. Quer hindurch
führt eine Straße zur Fähre nach Alt-Ostia.
Dorthin kann man auch unmittelbar von
Rom (der Porta San Paolo) aus gelangen.
Die Straße führt längs des Tibers durch
ödes Land, bis sich hinter der Osteria
Malafede der Blick öffnet über das sich
nach dem sandigen Strande zu senkende
Gelände, das blaue Meer, Ostia, Fiumicino,
die Tibermündungen. Weiter folgt wüster
Buschwald (maoobia) auf nassem Boden,
dann der Sumpf von Ostia, der jetzt aus-
getrocknet wird (Lonitlebo äi Ostin) und die
uralten Salinen. Gerade vor uns liegt
Neu-Ostia, überragt von dem malerischen
Kastell mit dem mächtigen runden Turme,
das Julius II. noch als Kardinal 1483
bis 1486 zum Schutze Ostias erbaut hat.
Denn damals war Neu-Ostia trotz der
Plünderung durch die Genuesen 1327 und
seines tiefen Verfalls während des baby-
lonischen Exils wieder emporgekommcn und
blieb der Haupthafcn an der Tibermündung
bis 1612. Dann wurde es ein armseliger
Ort um den Dom Sant' Aurea und den
bescheidenen bischöflichen Palast in öder
Sandebene, bewohnt von etwa 300 Men-
schen, die im Juni, wenn die Malaria
kommt, ins Albanergebirge hinaufflüchten
und die Stadt fast leer zurücklassen. Nur
1 Lm stromabwärts liegen die Ruinen des
antiken Ostia (Abb. 149). Seit Trajan als
Hafen herabgekommen, aber noch als besuchte
Sommerfrische belebt und als einer der
ältesten Bischofssitze wichtig, dann von den
Arabern geplündert, beim Aufbau Neu-
Ostias als Steinbruch benutzt, verschwand
es schließlich unter Schutt und Sanddünen
und ist nach gelegentlichen planlosen Aus-
grabungen erst seit 1855 planmäßig auf-
gedeckt worden. Den Zugang von Osten
her bildet die breite, mit großen viel-
eckigen Lavaplatten belegte Gräberstraße, die
aus einer Senkung herauf zwischen Resten
von Grabdenkmälern nach der Porta romana
führt. Davon rechts liegen die Thermen
und die Kasernen der Vigiles (Feuerwehr),
geradevor öffnet sich das ansehnliche Forum,
ein quadratischer Platz mit 80 m Seiten-
länge, von Säulenhallen umgeben, deren
 
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