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Die Tiberinsel. Das Trastevere.

mals in Rom gebaut hat, der jugendlich
phantastische Romschwärmer Otto III., und
er hat sie — neben dem heiligen Bartholo-
mäus — einem Slawen, seinem Jugend-
freunde Adalbert von Prag gewidmet, als
dieser bei den heidnischen Preußen den
Märtyrertod gestorben war. Die Kirche
steht an der Stelle des Aesculaptempels,
und entnahm ihm Wohl auch die vierzehn
Granitsäulen ihres Hauptschiffs; im übrigen
ist sie modernisiert und erinnert nur noch
durch die Inschrift über dem Haupteingange
(von 1113), sowie einige barbarische Reliefs
an einem Becken für das heilige Wasser an
den Stifter; nicht einmal den Namen dessen,
dem sie dieser vor allem weihte, des heiligen
Adalbert, hat sie sich bewahrt.
Drüben im Trastevere empfängt uns
ein kleinbürgerliches Gewirr ärmlicher Gassen,
durch das erst der Viale del Re vom Ponte
Garibaldi her eine breite Zukunftsstraße ge-
brochen hat. Am Tiber, schräg gegenüber
dem antiken Emporium, liegt hier der Porto
di Ripa grande, der moderne Seehafen
Roms, denn kleine Küstenfahrer, Segel-
schiffe und Dampfer kommen von Fiumicino
her flußaufwärts bis zur Stadt; dahinter
erheben sich die langen Fronten des Ospizio
San Michele, eines großen Versorgungs-
und Erziehungshauses, mit der Kirche San
Francesco in Ripa, wo der heilige Fran-
ciscus von Assisi 1209 wohnte. Weiterhin
landeinwärts liegt eine der merkwürdigsten
Kirchen Roms, Santa Cecilia in Trastevere.
Hinter einem Vorhofe strebt die Vorhalle
empor, von vier antiken ionischen Säulen
getragen und von einem Renaissancegiebel
gekrönt, darüber der romanische Glockenturm.
Das Innere ist nach 1599 modernisiert, seit
1899 übrigens möglichst wieder restauriert
worden; doch noch ist das Haus der Cäcilia, die
hier am 22. November 232 enthauptet, aber
erst 822 beigesetzt wurde, als Grundlage
der Kirche deutlich zu erkennen: die schmale
Treppe, die in diese Räume hinunter führt,
das Badezimmer mit den Heizungsröhren,
wo sie erst erstickt werden sollte, und die
weiße Marmorplatte, auf der sie die drei
Schwerthiebe empfing, an denen sie ein paar
Tage später starb. So, wie die wohl-
erhaltene Leiche am 20. Oktober 1599 in
ihrem Cypressensarge aufgefunden wurde,
hat sie Stefano Maderna für die Nische
unter dem Hochaltar über der jetzt glän-

zend erneuerten Märtyrergruft in Marmor
gebildet (Abb. 24). Die größte Kirche
des Stadtteils ist Santa Maria in Tras-
tevere, im fünften Jahrhundert erbaut, 1139
völlig erneuert, unter Papst Pius IX. vor-
trefflich restauriert. Von hier führt eine
gerade Straße durch die Porta Septimiana
der hier wohl erhaltenen Aurelianischen
Mauer nach der Lungara, der Verbindungs-
straße mit dem Borgo. Wenige Schritte
jenseits des Thores steigt links ein mäch-
tiger Bau empor, der Palazzo Corsini, seit
1884 der prunkvolle Sitz der königlichen
Akademie der Wissenschaften (Xooaäsmia äoi
lünosi) und ihrer reichen Sammlungen; rechts
liegt die berühmte Villa Farnesina, das schönste
Gartenhaus der römischen Renaissance, dessen
ursprünglich offene Loggien Raffael mit
seinen formen- und farbenschönen Gemälden
von Galathea, Amor und Psyche schmückte
(Abb. 115 u. 116). Den Garten selbst hat lei-
der die Tiberregulierung fast ganz zerstört.
Zum Borgo, der Leostadt, hat immer
die Engelsbrücke, der Pons Aelius Ha-
drians, den wichtigsten Zugang gebildet.
Die alte Brücke ist bei der Tiberregulierung
um mehrere Joche verlängert worden, aber
die barocken „Passionsengel" mit den Marter-
instrumenten (von 1668) sind auch jetzt er-
halten geblieben, so gut wie das alte Bild
der Engelsburg, auf das sie gerade zu-
führt: ein braungelber, massiver Travertin-
cylinder von 64 Meter Durchmesser und
22 Meter Höhe, darüber eine etwas vor-
kragende Mauer mit Konsolen und breiten
Schießscharten, auf der Plattform dicht
aneinander gedrängt Gebäude an Gebäude,
überragt von der Brouzefigur des Pest-
engels (von 1770), der das Schwert ein-
steckt, wie ihn Papst Gregor I. 590 schwe-
ben sah, als die Pest erlosch. Wenn von
der antiken Marmorbekleidung und dem
reichen Statuenschmuck der Außenseite nichts
mehr erhalten ist, überhaupt nichts mehr
an ein Grabmal erinnert, sondern alles eine
trotzige Burg darstellt, so zeigt dagegen das
Innere noch die kaiserliche Grabkammer in
der Mitte des Steinkolosses (wie eine
ägyptische Pyramide), zu der ein spiral-
förmig gewundener Gang aufstrebt. Jetzt
soll dieses ganze ehrwürdige, ein Jahrtausend
hindurch von Kriegsstürmen umtobte Wahr-
zeichen Roms in ein historisches Museum
verwandelt werden (Abb. 37).
 
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