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Schlußwort.

Die Karikatur des Weibes war stets misogyn. Wie sollte sie auch anders
sein, da doch das Wesen der Karikatur im Verspotten liegt! Nichtsdestoweniger
haben selbst unter den ausgesprochensten Ironikern viele auch einem Gefühl des
Mitleids Naum gegeben und waren eher geneigt, das Weib zu bedauern.

Als Travies seine Lumpensammlerinnen zeichnete, wollte er sie um
kein L>aar verschönen und mochte das Ääßliche ihrer Lumpen nicht verringern.
Jmmerhin sinden wir bei ihm ein gewisses Gefühl des Mitleids, verwandt mit
jenem, welches heute die Werke Steinlens durchzieht. Doch ist dies bei ihm kein
allgemeiner Zug. Sein Mitleid mit dem menschlichen Leiden ist nicht die direkte
Llrsache der Lerbheit seiner Zeichnung. Dieser harte Travies hat mehr Sympathie
für das Weib als Gavarni, der uns vom Weibe nahezu ausschließlich nur schöne
Darstellungen bietet, solche, die ausgesprochenermaßen zur Verführung heraus-
geputzt erscheinen. Iene Negungen der Barmherzigkeit gegenüber der Prostitution,
welche den Romanticismus kennzeichnen, welche in der Fantine aus den Elenden
von Viktor Kugo den brei--
testen und bedeutendsten
Ausdruck finden und in der
Kameliendame des jünge-
ren Dumas auch zu ähnlichen
dramatischen Schöpfungen
den Stoff geliesert haben,
waren auf Gavarni ohne
jeden Einfiuß.

Die Verteidigung der
Kurtisane ist übrigens nur
zum geringen Teil von den
Karikaturisten ausgegangen.

Sie hätten fich kaum einer
solchen Verteidigung widmen
können, da sie ja mit der
Zustimmung des Publikums
rcchnen mußten. Beinahe
alle Zeichner haben zu jener
Zeit eher für jene bürger-
liche Empfindung Partei

genommen, welche fich in dcn Der Herr Philister kann das Nackte nicht leidcn.

Mädchen von Marmor 421. Karikatur aus dlc Heuchelei von L. Lebegue.

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