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Vorwort

Die Rolle des Weibes in der französischen Karikatur studieren heißt soviel,
wie die Versuche der Ironiker des Zeichenstiftes zergliedern, welche von ihnen
gemacht worden sind, um gegen die Allgewalt des Weibes zu protestieren und
sich gegen die Äerrschaft der Mächtigen des Anterrockes auszulehnen, die nur der
Mode gehorchen wollen. Es heißt fast soviel, wie eine Geschichte der sranzösischen
Karikatur überhaupt schreiben.

Die französischen Karikaturisten, ob sie nun im eigentlichen Sinne der Be--
zeichnung die Züge des Modells bis zur Charge entstellt haben, oder ob sie im
Sinne einer neuen Ästhetik darauf ausgegangen sind, zu charakterisieren und die
hervorstechendsten Linien des Gesichts wiederzugeben, haben immer gegen zweierlei
Feinde gekämpft, nämlich gegen die Könige und gegen die Frauen.

Ihr Kampf gegen die Lerrscher war weniger erbittert, weil sie da doch
einiges dazu beitragen konnten, ihre Macht zu untergraben. Dagegen haben sie
das Weib mit einer Leftigkeit angegriffen, welche nur dann einen kurzen Waffen--
stillstand zuließ, wenn sie sich die Zeit nahmen, die Macht ihres Gegners dadurch
verständlich zu machen, daß sie die Schönheit des Weibes zur Anschauung brachten
und die Waffen aufzählten, deren sich die moderne Venus bedient, nämlich ihren
ganzen Aufputz und die Einzelheiten ihrer Toilette.

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Am das Weib in dieser Weise bekäinpfen zu können, seine Schönheit aber
gleichzeitig genügend zu betonen, war immer eine bedeutende Gabe an Genie
oder Talent notwendig. Die Künstler hatten für einen solchen Kampf aus der
eigenen Seele die schönsten Erinrwtungen, zugleich aber auch die bittersten Emp--
sindungen zu holen. Der Karikaturist des Weibes ist in sein Modell fast immer
verliebt. Fast alle die schönen Stiche, deren Spitze gegen das Weib gerichtet ist,
wurden entweder aus Liebe oder aus Wut gemacht. Die Musen gehorchen der
Venus ebenso gut wie der Nemesis. Daher das riesige Schaffen, daher die un--
geheure Ansammlung schöner Zeichnungen, welche es uns möglich gemacht hat,

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