Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0055
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Lange, Konrad von: Die drei Gaben des Künstlers: eine altmodische Betrachtung, [1]
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I
F. VON STUCK fec.
Künstler noch nicht aus. Die Freude an der hervor, daß auch der Handwerker sie braucht.
Naturnachahmung und damit die Fähigkeit, bei Ihre einseitige Beherrschung führt immer zur
der Anschauung zu verharren, haben Laien zum Virtuosität. Von den „Malenkönnern'', die nur
Teil in sehr hohem Grade. Wenn man alle malen können, wollen wir nichts mehr wissen,
guten Dilettanten zusammenzählen wollte, käme Und alle Sicherheit in der Handhabung des
vielleicht das Zehntausendfache der wirklichen Materials wird uns nicht über die Gehaltlosig-
Künstler heraus. Auch die Fähigkeit, von den keit eines Kunstwerks hinwegtäuschen, dessen
individuellen Verschiedenheiten der Natur ab- Urheber uns nichts zu sagen hat.
zusehen und nur das Große und Ganze fest- Schon daraus sieht man, daß jede einzelne
zuhalten, ist sehr vielen Laien eigen, Kindern dieser drei Gaben nicht ausreicht, um wahre
z. B. und primitiven Menschen in besonders Kunst zu erzeugen. Aber auch zwei Gaben
hohem Grade. Ohne Beherrschung der Technik zusammen genügen dazu nicht. Um sich da-
steht aber auch sie in der Luft, und ohne all- von zu überzeugen, braucht man nur das Le-
gemeines Lebensgefühl ist sie ein tönendes Erz bensgefühl und die Technik vereinigt zu denken,
und eine klingende Schelle. Es gibt raffinierte Techniker, die auch ein sehr
Ebenso macht die bloße Beherrschung der starkesLebensgefühlhaben,aberdieNaturnach-
Technik noch keine Kunst. Das geht schon daraus ahmung infolge einer angeborenen Schwäche
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F. VON STUCK fec.
Künstler noch nicht aus. Die Freude an der hervor, daß auch der Handwerker sie braucht.
Naturnachahmung und damit die Fähigkeit, bei Ihre einseitige Beherrschung führt immer zur
der Anschauung zu verharren, haben Laien zum Virtuosität. Von den „Malenkönnern'', die nur
Teil in sehr hohem Grade. Wenn man alle malen können, wollen wir nichts mehr wissen,
guten Dilettanten zusammenzählen wollte, käme Und alle Sicherheit in der Handhabung des
vielleicht das Zehntausendfache der wirklichen Materials wird uns nicht über die Gehaltlosig-
Künstler heraus. Auch die Fähigkeit, von den keit eines Kunstwerks hinwegtäuschen, dessen
individuellen Verschiedenheiten der Natur ab- Urheber uns nichts zu sagen hat.
zusehen und nur das Große und Ganze fest- Schon daraus sieht man, daß jede einzelne
zuhalten, ist sehr vielen Laien eigen, Kindern dieser drei Gaben nicht ausreicht, um wahre
z. B. und primitiven Menschen in besonders Kunst zu erzeugen. Aber auch zwei Gaben
hohem Grade. Ohne Beherrschung der Technik zusammen genügen dazu nicht. Um sich da-
steht aber auch sie in der Luft, und ohne all- von zu überzeugen, braucht man nur das Le-
gemeines Lebensgefühl ist sie ein tönendes Erz bensgefühl und die Technik vereinigt zu denken,
und eine klingende Schelle. Es gibt raffinierte Techniker, die auch ein sehr
Ebenso macht die bloße Beherrschung der starkesLebensgefühlhaben,aberdieNaturnach-
Technik noch keine Kunst. Das geht schon daraus ahmung infolge einer angeborenen Schwäche
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