WAS IST STIL? I
auch diese flüchtige Skizze wenigstens einigen gefühl entkeimen kann, und träumt dabei von l
Anregungswert besitzt und zum Nachsinnen den sonnigen Zeiten der Antike und den leuch- P
über diese wichtigen Fragen anleitet, die mit tenden Tagen der Renaissance. Gegenüber
die bedeutungsvollsten der allgemeinen Kunst- dieser tastenden Sehnsucht und begrifflichen c
Wissenschaft sind. Verschwommenheit erwächst der Wissenschaft G
Die großen Fragen: „Wie gelangen wir zu die Aufgabe, möglichst sachlich und nüchtern V
einem Stil?" und „Woran erkennen wir einen zu prüfen, welchen Sinn eigentlich dieses viel |j
Stil?" werden heute in weitesten Kreisen ge- gebrauchte und viel mißbrauchte Wort „Stil" >
radezu leidenschaftlich erörtert, gleich einer hat. Oder ob es sich hier nicht gar um man- n
Angelegenheit, die berufen erscheint, tief in nigfache Bedeutungen handelt, deren Verschie- Q
unsere praktische Lebenshaltung einzudringen, denheit sich durch die einheitliche Bezeichnung P
Denn wie unklar auch immer die Vorstellungen verschleiert? Und ist die Frage einmal so ge- G
der meisten sein mögen über das eigentliche stellt, erkennt man leicht, daß hierbei recht c
Wesen eines Stils und über die Bedeutung der abweichende, teilweise sogar geradezu gegen- G
Forderung nach einem einheitlichen Stil; irgend- sätzliche Bedeutungen in Betracht kommen. V
wie schwebt doch wohl allen, welche jene — Man redet etwa von dem Stil eines Künstlers, «
für unsere Tage so charakteristische — Stil- so Rubensstil, Rembrandtstil oder Makartstil; Y
Sehnsucht ergriffen hat, der beseligende Ge- dann wieder von Materialstil, so Stil des Mar- fi
danke vor, hier eine versöhnende Harmonie, mors, der Bronze usw.; man erörtert Zweck- q
eine höhere Zusammenfassung zu finden in Stile, so Kirchenstil, Warenhausstil, Bahnhofs- P
dem doch mannigfach zerrissenen und zer- stil; man begeistert sich für nationale Stile, G
spaltenen Leben unserer Zeit. Man hofft auf so germanischer, romanischer, orientalischer, V
diese Weise einen festen, sicheren Ankergrund japanischer Stil; man erforscht Zeitstile, so >
zu gewinnen, dem ein geschlossenes Lebens- die Gotik, die Renaissance, das Rokoko; man >
handelt über naturalistische, n
realistische und idealistische T
Stile und man spricht auch P
von dem Stil der einzelnen G
Kunstzweige, so dem Stil des P
Dramas, dem der Lyrik oder G
dem des Romans. Eines zei- y
gen diese Beispiele wohl völ- ig
lig deutlich: die Notwendig- f
keit, den zutreffenden Sinn n
dieser unterschiedlichen In- J
halte festzustellen und ihrem P
Werte gerecht zu werden. C
Wir beginnen mit dem Be- y
deutungstypus: Stil eines j-
Künstlers; etwa Rubensstil, \
Rembrandtstil, Makartstil. £
Was ist darunter zu ver- )
stehen? Wohl nicht mehr «
und nicht weniger als die (
Eigenart der künstlerischen P
Persönlichkeit, soweit sie im C
Kunstwerke sich ausprägt, y
Denn all die Kunstwerke, £
die von der gleichen künst- l
lerischen Individualität her- /■
rühren, haben eben als Kin- )
der des gleichen Vaters eine r
gewisse innere Verwandt- £
schaff, mögen sie vielleicht P
äußerlich noch so verschie- C
MAX BECKMANN >SS AUS DEN LITHOGRAPHIEN ZUM NEUEN TESTAMENT H„_ --:n Aupr „,,rh j:„ p
Mit Erlaubnis des Verlags E. W. Tieffenbach, Berlin-Steglitz acn ' Aucl aUCH U1C k
■ S^r^ S^TTSi S^r3 STTTö S^T3 GTrra Strra GTTTS
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auch diese flüchtige Skizze wenigstens einigen gefühl entkeimen kann, und träumt dabei von l
Anregungswert besitzt und zum Nachsinnen den sonnigen Zeiten der Antike und den leuch- P
über diese wichtigen Fragen anleitet, die mit tenden Tagen der Renaissance. Gegenüber
die bedeutungsvollsten der allgemeinen Kunst- dieser tastenden Sehnsucht und begrifflichen c
Wissenschaft sind. Verschwommenheit erwächst der Wissenschaft G
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einem Stil?" und „Woran erkennen wir einen zu prüfen, welchen Sinn eigentlich dieses viel |j
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für unsere Tage so charakteristische — Stil- so Rubensstil, Rembrandtstil oder Makartstil; Y
Sehnsucht ergriffen hat, der beseligende Ge- dann wieder von Materialstil, so Stil des Mar- fi
danke vor, hier eine versöhnende Harmonie, mors, der Bronze usw.; man erörtert Zweck- q
eine höhere Zusammenfassung zu finden in Stile, so Kirchenstil, Warenhausstil, Bahnhofs- P
dem doch mannigfach zerrissenen und zer- stil; man begeistert sich für nationale Stile, G
spaltenen Leben unserer Zeit. Man hofft auf so germanischer, romanischer, orientalischer, V
diese Weise einen festen, sicheren Ankergrund japanischer Stil; man erforscht Zeitstile, so >
zu gewinnen, dem ein geschlossenes Lebens- die Gotik, die Renaissance, das Rokoko; man >
handelt über naturalistische, n
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Stile und man spricht auch P
von dem Stil der einzelnen G
Kunstzweige, so dem Stil des P
Dramas, dem der Lyrik oder G
dem des Romans. Eines zei- y
gen diese Beispiele wohl völ- ig
lig deutlich: die Notwendig- f
keit, den zutreffenden Sinn n
dieser unterschiedlichen In- J
halte festzustellen und ihrem P
Werte gerecht zu werden. C
Wir beginnen mit dem Be- y
deutungstypus: Stil eines j-
Künstlers; etwa Rubensstil, \
Rembrandtstil, Makartstil. £
Was ist darunter zu ver- )
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und nicht weniger als die (
Eigenart der künstlerischen P
Persönlichkeit, soweit sie im C
Kunstwerke sich ausprägt, y
Denn all die Kunstwerke, £
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rühren, haben eben als Kin- )
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schaff, mögen sie vielleicht P
äußerlich noch so verschie- C
MAX BECKMANN >SS AUS DEN LITHOGRAPHIEN ZUM NEUEN TESTAMENT H„_ --:n Aupr „,,rh j:„ p
Mit Erlaubnis des Verlags E. W. Tieffenbach, Berlin-Steglitz acn ' Aucl aUCH U1C k
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