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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Wolf, Georg Jacob: Winterausstellung der Münchener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0298

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WINTERAUSSTELLUNG DER MÜNCHENER SECESSION

I weißem Zelter aus dem Wald hervorbricht und sein

l Roß über eine spinatgrüne Wiese traben läßt. Wo

I aber des Rosses Hufe den grünen Rasen schlagen,

I da erblühen in buntem Gewog Frühlingsblumen in

' saftiger Ueppigkeit, also daß des Heiligen Weg eine

breite Blütenspur hinterläßt. Das war gotisch auch

, in der Idee — heute indessen ist Liebenwein jenem

I klassischen Romantismus der Veit, Overbeck und

I Schnorr näher (Abb. S. 278), aber die gewisse wiene-

| rische Kunstgewerblernote, die er als fremdes Ele-

I ment jener verhaltenen, fast trockenen Manier im-

I putiert, gibt eine Mischung, die Liebenweins Be-

j Sonderheit ausmacht. Sein „Gang Mariä übers

Gebirg" ist einer fromm - romantischen Stimmung

voll: ein modern stilisierender Nazarener scheint das

I gemalt zu haben. Das ist aber für einen Wiener

gar nicht so traditionswidrig. Denn wir wissen, daß

zwischen Wien und den Nazarenern, den gottseligen

| Brüdern von San Isidora, manche Fäden sich spannen.

) Geradeso gehört eine Anlehnung an Feuerbach

I zu den Wiener Traditionsrequisiten. Feuerbachs

kurzes, aber temperamentvolles Schaffen in Wien,

! das den Meister auf der stolzen Mittagshöhe des

I Monumentalismus sah, ist nicht ohne Spuren ge-

\ blieben. Auch auf die Kunst Rudolf Jettaiars

( fiel dieser Monumentalität Abglanz. Jettmar malt auf

i riesigen Formaten herkulische Taten und setzt da-

) neben wohl ein Bild wie das „Am Wege" geheißene,

) das jeden Kenner sogleich an Feuerbachs „Medea"

) gemahnt. Nicht im Sinne der Imitation, aber als

( aus dem gleichen Geiste geboren: äußere Ruhe, in

: schönem Linienfluß ausgedrückt, zu verbinden mit

( heißem innerem Leben. (Jettmars Kunst soll in

j dieser Zeitschrift nächstens eingehend abgeschildert

\ werden, so daß ich mich auf diesen Hinweis be-

j schränken darf.)

) Eine seltsame Begabung, die sich ihr Spezialgebiet

) mit feinem Geschmack erkor, lernte ich in Oswald

j Roux kennen. Auch hier ist Wiener Tradition, aber

f sie kommt nicht aus der entwicklungsgeschichtlichen

1 Kunstentfaltung, sondern ihrem Ursprung müssen
J wir im K. K. Hofmuseum nachspüren. Dort hängen
!\ bekanntlich etliche zwölf Werke Pieter Breughels,
J alte Kunst, aber so intensiven, interzeitlichen Lebens
J und rauschenden Wirklichkeitssinnes voll, daß sie
3 den Zauber ewiger Modernität trägt. Am stärksten

2 wirken die beiden Winterlandschaften Breughels:
■| Der Kindermord und das Januar-Monatsbild. Auf
< weißem, kaltem Grund ist ein Gewühl bunter Figür-
'i chen, jedes bis ins Detail ausgeführt, während doch
J das Bild zu einer harmonischen Masse zusammen-
>) fließt in schön umrissener Gesamtsilhouette, wie
J auch die bunte Vielheit nicht zu einer Auflösung,
J sondern zu einem Ensemble des Kolorits geführt
y ist. Breughel und seine Wiener Winterlandschaften

J\ , . .*;...„ ..... .. , otto FRIEDRICH Sa DAMENBILDNIS fi

J Scheint SICh Oswald ROUX mit Viel Vergnügen Und Ausstellung der Wiener Secession in München i

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