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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 27.1911-1912

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Tietze, Hans: Der Blaue Reiter
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https://doi.org/10.11588/diglit.13090#0586

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DER BLAUE REITER

1

PIETRO DODERO DAS LEBEN

X. Internationale Kunstausstellung Venedig 1912

Durch diese Hingabe an seine natürlichsten Nie war ein Zorn begreiflicher; und doch
Neigungen schädigt das Publikum am meisten ist er nicht am Platze, denn keine der drei
sich selbst; denn was wollen wir Nichtschaf- Vermutungen trifft das Richtige. Die neue
fende, wir Publikum anderes von der Kunst, Richtung ist eine bewußte Reaktion gegen den
als so viel wie möglich mitempfinden? Wir Impressionismus der jüngstvergangenen Zeit,
wollen Kunst begreifen, woher immer sie der bis zu einem gewissen Grade die illu-
komme und wie immer sie sei, wir öffnen sionistische Wiedergabe der Natur angestrebt
alle Poren, sie gierig aufzunehmen und da hat; der neue Stil entmaterialisiert das Welt-
stoßen wir an die Kunst des blauen Reiters bild, indem er die Gegenstände zu abstrakten
und seinesgleichen und finden uns in allen Formen umbildet, indem er die einzelnen Teile
Erwartungen getäuscht. Wir können in keiner aus ihrem objektiven Verbände löst, indem
Weise mit, fühlen uns wie vor den Kopf ge- er dem Beschauer nicht einen festen Stand-
schlagen und zweifeln zunächst an der Gesund- ort anweist, sondern ihn das Objekt bald von
heit unserer eigenen Sinne; dann aber bricht diesem, bald von jenem Punkt ansehen läßt,
der Zorn elementar los, drei Möglichkeiten Die Anzahl der Torturen, die dem normalen
allein scheinen uns diese tollen Ausgeburten Kunstbetrachter angetan werden, ist damit
erklären zu können: Es handelt sich um die nicht erschöpft; und die Bewegung ist auch
Geheimsprache von Eingeweihten, um eine noch zu sehr im Werden, um schon über eine
esoterische Kunst, an der uns jeder Anteil fertige Formengrammatik, einen Generalbaß,
versagt ist; oder wir haben eine Entartung wie der Blaue Reiter mit einem Worte Goethes
Einzelner vor uns, die mit der unheimlichen sagt, zu verfügen. Aber es wird aus dem
Ansteckungskraft einer Seuche um sich ge- wenigen schon klar, was diesen „Wilden" Vor-
griffen hat; oder aber man macht sich lustig schwebt; sie wollen die Dinge nicht so dar-
über uns. stellen, wie sie sind, wie sie einem morgens

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