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sens erwuchs, so vermochte sich in dieser Stille der Tradition der Deutsch-Römer und in die Sphäre des
heimliche Gesang des Seelischen zu entfalten. Die tief verehrten Adolf Hildebrandt.
Arbeiten ließen fruchtbare Anregung (nicht „Ein- An das Wirken Hildebrandts erinnert einmal die Nei-
fluß") der Erkenntnisse Maillols und Despiaus emp- gung zur Vielseitigkeit mit dem besonderen Interesse
finden, an denen kein ernster junger Bildhauer vor- für architektonisch gebundene Plastik: neben großer
beigeben kann. (Nebenbei: auch Maillols schwere antikischer Rundplastik gibt es Bildnisbüsten und
Statuen beben von verhaltener Musik.) Statuetten. Brunnenanlagen, Reliefs und Architek-

Die dann folgende Bekanntschaft mit Julius Bause- turplastik. Eine bedeutende Großplastik hat der Bild-
wein bestätigte den ersten Eindruck: es hatte sich also hauer soeben beendet, eine kniende nackte Frau mit
nicht um einen vereinzelten glücklichen Wurf ge- weich zum Flehen erhobenen Armen, voll Harmonie,
handelt, sondern es stand ein Kreis verwandter Bil- und, was bei uns so selten ist, die überlebensgroße
düngen dahinter, von der gleichen Sprache tiefer In- Figur an keinem Punkte abstrakt, sondern überall
nigkeit und musikalischer Grazie erfüllt. Der allge- von sinnlicher Erkenntnis gesättigt. (Bestimmt für ein
meine Charakter dieser Welt bezieht den jungen tempelartiges Brunnenhaus in einem Kurpark.) Von
mittelgroßen Künstler mit dem flackernden Schön- den Reliefs erwähnen wir einen Altarentwurf für
heitsdurst in den antikisch geformten Zügen in die eine kleine gotische Kirche, von feinem sakralem

Klang, und eine Darstellung des Florian
Geyer. Frucht langer und ernster Versen-
kung ist die intelligente Neugestaltung des
Homer für die Treppe der Staatsbibliothek.
Vielleicht am liebsten aber kehren wir im-
mer wieder zur Kleinplastik zurück, dieser
Keimzelle, Urschrift der prima idea, ge-
heimnisvollem Bewahrer quellenden Le-
bens. Möge die Statuette noch das ahnungs -
volle Leben des Bozzetto haben oder die
klare Form der vollendeten Bronze, möge
sie als Volkslied von Christopherus erzäh-
len (Abb. S. 55) oder vom Übermut junger
Pferde oder von der scheuen Anmut der
Rebe, oder möge sie Frauen darstellen.
Frauen kniend, kauernd, stehend, schrei-
tend, mit nichts beschäftigt als mit dem
Wohlgefühl des Augenblicks und der unbe-
wußten Empfindung ihrer Grazie: immer
ist hier dieser zärtliche Klang, von dem
wir sprachen: — wird die Photographie
ihn empfinden lassen, diesen Silberklang,
in dem einfachen Stehen, in dem einfachen
Schreiten der Frauen? (Abb. S. 55.)
Aber ein Wesentlicheres als das Vielseitige
läßt an den Namen und die Weise Hilde-
brandts denken, nämlich die Verantwor-
tung gegenüber dem Arbeitsgesetz der
Form, die sich, unter Verachtung allen
wohlfeilen Glanzes erst in einer völlig
geläuterten und klaren Linie, Form und
Statik und in einer letzten Sauberkeit der
Arbeit beruhigt. In dem jungen Klassi-
zisten mit dem unermüdlichen Streben
nach völlig beherrschtem Handwerk ist das
Ethos Hildebrandts lebendig. Wir dürfen
von ihm einen neuen Beitrag erwarten zur
Erkenntnis des Menschen „in seinem rein-
sten Zustande", wie ihn „die plastische
Natur sich gedacht hat".
1915 zu Rimpar geboren, ist Bausewein
mit dem Handwerk aufgewachsen. Musik-
studium an einer Musikhochschule. Seit
1956 an der Akademie München. In völ-
liger Zurückgezogenheit lebend, widmet
der junge Bildhauer seine freie Zeit der
leidenschaftlich geliebten Musik.

Julius Bausewein. Bronzestatuetre einer jungen Frau

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