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Der Maler und Graphiker Willi Geiger. Von Ulrich Christoffei

Die Graphik spricht durch ungewohnte schattenhafte
Zeichen, und sie wirkt darin fremd und unheimlich,
auch wenn sie gar nicht erzählt oder phantasiert oder
hizarre Gegenstände darstellt, sondern nur das Lehen
in der Bewegtheit des Lichtes zu erfassen sucht. Die
Welt ist farbig und die Graphik nimmt ihr die Farbe
und verwandelt sie in schwarze Linien und weiße
Flecken, samtenes Dunkel und blitzendes Licht. Mit
dieser Abstraktion entfernt sich die Graphik von der
Natur, aber nur um durch ihre eigene Art der Ver-
sinnlichung der Dinge das Farbige der Erscheinun-
gen zu ersetzen und damit in das Wesen aller Zusam-
mensetzung der Dinge einzudringen. Die Graphik
weist neue Tiefen auf nicht nur in ihren Schatten
und Helligkeiten, sondern im Leben selbst, und taucht

ein in die Untergründe des Seins. Wenn die Malerei
ihre schönen farbigen Gewebe über alle Gegenstände
zieht, gräbt sich die Graphik in die Wunder, Rätsel
und Leiden eines Daseins ein, das hinter dem Schleier
liegt. Besonders im romantischen 19. Jahrhundert
suchte die Graphik diesen Weg der Entfesselung und
Enthüllung des Lebens durch die magische Kraft des
Schwarz-Weiß, und ihr Meister war der Spanier
Francisco de Goya, der alle Talente in seinen Bann
zog.

Auch Willi Geiger, der aus der Heimat Slevogts
stammt und in München Stucks Schüler war, dankt
Goya seine graphische Erweckung. In dem Lands-
huter Lehrerhaus, in dem er am 27. August 1878 ge-
boren wurde, gehörte die Musik zum täglichen Leben

Kunst für Alle. Jahrg. m, Heft 1/2. Oktober/Dezember 1944

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