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7 uuä 8. 1877.

Praktische Notizen.


^WhtiSchis Aolme^

Ueber Bemalnng gothrscher Äirchcn im Geiste -es Mittelaltcrs.

(Bon Karl Atz, Beneficiat in Terlan.)

Es gibt noch viele Ueberreste von Bemalung alter Kirchen, be-
sonders aus dem Schlusse des XV. und dem Beginne des XVI. Jahr-
hunderts, die uns herrliche Fingerzeige bieten, wie man restaurirte
oder neugebaute Kirchen ohne großen Auswand voil Geld und Zeit
in jeder Beziehung befriedigend mit Malerei ausschmücken könnte. Ver-
suchen wir aus den verschiedeneu Ueberresten ein Ganzes zusammen-
zustellen, so würe es unter Anderem so zu machen. Es sollten möglichst
viele Bilder, reicher figuralischer Schmuck angewendet werden, so daß
dieser selbst eine Decoration bilde; es soll einfach gemalt werden, um
keinen uuerschwinglichen Aufwand zu machen, ohne deßhalb der wahren
Kunstschönheit Eintrag zu thun. Bei gutem Willen wird man wie die
Alten den Beweis liefern können, daß Schönheit und wirkliche Billig-
keit Dinge sind, die sich wohl vereinigen lassen. Was dann den Plan
anbelangt, welchen man bei irgend ciner Kirche zu Grunde legen
könnte, wäre z. B. cine Versinnlichung, eine bildliche Darstellung des
Begriffes der heiligen Kirche selbst. Wie durch die Gegenwart Christi
im heiligsten Altarssakramente, durch die Anwesenheit der Heiligen
Gottes in ihren Religuien, im Zusammenhalte mit der betenden Ge-
meinde „die Gemeinschaft der Heil-igen" Ausdruck erhält, so sollte
dieselbe durch die Bilder fort und fort zum Bewußtsein gebracht werden.
Das Bildwerk des Chores hütte, wie selbstverstüudlich, mit Dem sich zu
beschäftigen, Der da wohnt, mit Christus, dem Herrn Selber. Es würen
somit eine Anzahl Momente aus dem Leben Jesu auszuwühlen, in
welchen Seine Sanstmuth und Demuth, Seine Menschenfreundlichkcit,
Seine unbegreifliche Opferliebe w. besonders hervortreten. Z. B.: Maria
und Joseph suchen Herberge in Bethlehem — Die Beschneidung
Die heiligen drei Könige — Jesus in Nazareth — Die Aufermeckung
des Lazarus — Der barmherzige Samaritan — Die Einsetzung des
Altarssakramentes — Die Gefangennehmung auf dem Oelberge uud
der Verrath des Judas — bloaa llomo — Die Oeffnung dcr Seite,
Magdalena, der rechte Schücher — Simon, liebst du Mich? Weide
Meine Schafe u. dgl.

Solche und ähnliche Bilder brachten die Alten nicht am Gemölbe
an, sondern an den leeren Wänden oder rechts und links von den
Fenstern, weil sie da eben beguemer zu betrachten sind.

Jm Schiffe würden dann harmoniren auf der einen Seite (Nord-
seite): Die Geschichte des Reiches Gottes auf Erden vor Christus in
mehrereu charakteristischen Gruppen, auf der anderen (Südseite) die

bekannten Chöre der Heiligen, als: Apostcl, Martprer, Bekenner und
Jungfrauen, so daß der Chor der Apostel sich an das Bild des heil.
Joseph, des Patrones der Kirche, auf dem einen Nebenaltare an-
schließen könnte, während der alte Bund mit Joachim und Anna
endigt, di.e dann unmittelbar in dem Felde neben dem einen der aller-
seligsten Jungfrau geweihten Altare ihre Stelle hätten. Auf der Stirn-
seite des Triumphbogens begegnet uns, dem Namen entsprechend, der
Einzug der Seligen in's Paradies, während neben dem Haupteingange
der Kirche, dem Taufsteine gegenüber, also auf der Südseite, ein
„Arm-Seelenbild" den Eintretenden an den Ernst des Gerichtes deut-
lich erinncrt.

Den Stil aller Compositionen wünschen wir ziemlich streng, ohne
jedoch reine Contourenmalerei anzustreben, die Ausführung einfach in
ul Ir68oo, durchwcg auf einfärbigem dunkelblauem Grunde, alle
realistischen Hiutergründe, wie Landschaften rc. seien unbedingt aus-
geschlossen.

Was die Decoration im engeren Sinne betrifft, so soll diese keine
hervorragende Rolle spielen, sondern nur als Bindeglied des Bild-
werkes unter sich und mit den übrigen Wandflächen dienen. Zu be-
malen wären auch die Fensterlaibuugen, sei es, daß die Fenster selbst
Teppichmuster mit oder ahne Figuren oder letztere allein erhalten und
so erstere von einem Wandbilde zum anderen zu leiten haben. Die
Gewölbekappen erscheincn immer am schönsten in eincm gebrochenen
Weiß und könnten auch noch weiter durch Medaillons oder laufende
Ornamente längs den Rippen belebt werden; letztere werden polp-
chromirt, mit odcr ohnc Goldstreifen; ebenso die allfällig vorkommenden
Capitäle, aft mit grüuem Laubwerke auf dunkelbraunem Grunde. Von
einem Capitäl zum andereu zieht sich über den Bildern ein breiter
Fries hin; auf demselben ist in jedcm Felde ein breites Schriftband
mit einem auf das Bild bezüglichen lateinischen Texte, unter dcn
Bildcrn aber eine entsprechende Anrufung in dcr Volkssprache angebracht.

Nach einer einfacheren Anlage finden wir die Rippen in einem
röthlichen oder hellbraunen Farbentone bemalt, wodurch sie sich von
dem mattweißcn Grundtone der Gewölbekappen ebenfalls gut abheben.
Die Schlußsteine des Gewölbes umgibt ein mehrfacher polpchromer
Kreis nach Art stilisirtcr Wolken oder Flammen-Ornamente, und aus
deu Winkeln, welche die Rippen bei ihrer Verästelung gleich über den
Capitälen der Wandsüulen bilden, wächst zartes, hoch emporschießendes
Blumenornament zierlich hervor und belebt die Fläche weithin über
seine Ausdehnung auf eine prachtvolle Weise. Capitäle und Schäfte
der Wandsäulchen haben den Ton der Rippen. Die cinzelnen Wand-

felder faßt ein breiter ornamentaler Rahmen ein, dessen Jnnenraum
für Bildwerk bestimmt, sei es, daß dieses aus Einzelftguren oder
Gruppen besteht.

Aus diesem geht hervor, wie man mit einfachen Mitteln im Sinne
der mit Recht bewunderten Ueberreste von Wandmalereien aus dem
XV. und XVI. Jahrhunderte wiederum auch eine Landkirche pracht-
voll ausschmücken könnte; zugleich ersieht man, wie die decorative Be-
malung der Kirchen zu behandeln wärc, nämlich, daß mit den Orna-
meuten immer einzelne Bilder in Verbindung zu bringen sind. Das
ist eben das wahre Princip bei einer solchen Aufgabe, denn Orna-
mente ohne einzelne bildliche Gegenstände und seien es auch nur
einfache Sinnbilder, haben wenig Sinn und Bedcutung, wie wir uns
an vielcn Neubauten oder restaurirten alten Kirchen zur Genüge über-
zeugen können. Aber auch Maß halten soll man mit dem ornamentalen
Schmucke und davon nicht zu viel anbringen, so daß fast kein hand-
breites leeres Plätzchen mehr übrig ist und das Auge nirgends cinen
Ruhepunkt findet. Besser wäre es, wenn einzelne Flächen ganz leer
blieben, falls kein Bildwerk zu Gebote steht oder man setze in die Mitte
des leeren Raumes eine kleine geometrische Figur, wie unter Anderen
zu St. Anastasia in Verona und dic ganze Verlegenhcit ist gehoben.

Streng nach diesen Grundsätzen und Angabcn sind jüngst zwei
gothische Kirchcn in Süd-Tprol (zu Proveis und Aberstückl) von den
Malern Fclsburg und Spör bcmalt worden und liefern den that-
sächlichen Bemeis, wie man mit geringen Mitteln im Sinne der Alten
einen herrlichen Kirchenschmuck herstelleu kann.

Neber die alten Wandmalercien Tyrols.

Mit vollem Rechte kann behauptet werden, daß iu Tprol, vor
Anderem in Süd-Tprol jede mittelalterliche Kirche und Kapelle, selbst
Felvkapellen nicht ausgenommcn, wcnn nicht vollständig oder größten-
theils bemalt war, doch mit irgend einem Bilde, meist al Irosoo, an
der Jnnen- oder Außenseite geziert wurde. Auf diese einstmalige große
Anzahl monumentaler Malcrei stößt man eben erst jetzt, wo dafür ein
begeistertes Jnteresse erwacht ist; leider sind die meisten aus Miß-
verständuiß der mittelalterlichen Kunst im vorigen Jahrhunderte über-
tüncht worden, kamen erst bei den jüngsten Restaurationcn und Um-
bauten an's Tageslicht. Da sieht man, wie sich kaum eine oder die andere
Stelle denken läßt, wo die Alten nicht an einen Schmuck durch Gemälde
dachten; heute sind uns die Gründe dazu oft fast ganz unerklärlich,
wozu freilich nicht wenig beitrügt, daß andere Wege zur Kirche führten,
das Terrain tiefer lag, inneu keine geschlossenen Reihen von Bet-
 
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