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Tafel 56.

g,. und d, Gothisches Caselkreuz mit Schildern. Die Ausführung
desselben geschieht am besten im Tambourstich, in der Weise, daß die
sich verschlingenden Stämme in hell- und dunkelbraunen Tönen, nach
außen dunkler, die Blätter und feinen Ranken in moosgrüner Farbe,
nach der Mitte zu heller werdend, die Passionsblumen in mattem
Weiß mit blauen Schattirungen, die Dornenkronen und Nägel somie
die feinen Perlen in Gold gestickt werden.

Jn die aus Goldstoff ausgeschnittenen und applicirten Schilder
kommen die Leidenswerkzeuge des Herrn in den betreffenden natür-
lichen Farben gestickt — oder wenn die Schilder farbig sind, auch in
Goldstickerei ausgeführt; die Zeichnung dieser Schilder findet sich auf
Tafel'57.

Bei 0 ist die Zeichnung für die zum Meßgewande gehörige
Bursa angegeben; für Stola und Manipel würde die Zeichnung
Nr. 2 auf Tafel 52 Heft IX passen.

Die Nr. cl und s zeigen einfache Leinwandstickereien in rothem
oder blauem Garne, der leichteren Abzählung wegen bedeutend ver-
größert gezeichnet; dieselben sind in die Ecken von untergeordneter
Linnenwäsche, als Handtücher, Lavabotüchlein rc. verwendbar.

Tafrl 37.

Cappa zu einem reichen Pluviale, nach einem Entwurfe des
Herrn Professors Klein in Wien. Dieselbe zeigt uns in edler alt-
deutscher Stilisirung die im Mittelalter sehr beliebte Darstellung des
göttlichen Erlösers im Schooße des himmlischen Vaters, umgeben von
den neun Chören der Engel und den Spmbolen der vier Evangelisten.
Die Ausführung dieser schönen Zeichnung erfordert schon geübtere
Hände, besonders bei den kleinen Engelsköpschen. Diese Engels-
sigürchen können entweder farbig, oder blos in braunen Contouren auf
applicirtem Goldgrunde gestickt werden.

Die Schilder mit den Leidenswerkzeugen gehören zu Tafel 56,
und könnten mit dem geradelaufenden und sich entsprechend ver-
längernden Hauptbalken des dortigen Caselkreuzes als Stab für das
Pluviale dienen.

Garne
, Be-

K- Jn der unteren Ecke dieser Tafel ist eine in farbigem

'E auszuführende Leinwandstickerei (in Stielstich), für Altartücher
M deckung von Credenztischen w. verwendbar.

Tafel 36 bi5 63.

Aoüz über die Uusführmlg des Warieil-Anlipendiums.

Dieß herrliche, in der Zeichnung so kunstvolle Antipendium wird
auf schwerem glatten Seidenstoffe mit kräftiger Leinenunterlage in
folgender Weise gestickt.

Die Himmelskönigin im mittleren Felde wird in kunstgerechter
Bildstickerei mit dem senkrechten, engschließenden Imnts cks I^s-Stich
gearbeitet. Der Mantel, etwa grünblau, das Kleid mattroth, Szepter,
Krone und Nimbus Silber, Gold. Der sie umgebende Strahlenkranz
wird im Heftstich mit Gold flach gestickt, die Schrift im inneren Reif
roth und violett im Plattstiche. Das Rosenornament am leichtesten
im Tamburirstich in farbiger Seide ausgeführt und die eingefügten
Medaillons mit den schönen Sinnbildern auf glattem Goldgrund in
Applikation hergestellt.

Die beiden Bilder im Seitenfeld müssen auf gemustertem Gold-
grund oder goldfarbigem Seidenstoffe mit genauer Beobachtung der
Schraffirung und der Contour in breitem llauts cks I^s-Stich mit auf-
gesetztem Schatten oder durch Applikation eines entsprechenden matten
Stoffes mit Stielstich gearbeitet werden. Zum Rande dürfte eine Gold-
oder eine braune Seidenschnur, in doppelter Linie aufgesetzt, geeignet
sein. Als Einfassung des Ganzen (Abtheilung in 3 Felder) dürfte ein
goldfarbiger Bandstreifen mit den Rosetten in Farbe oder ein blauer
Seidenstoff mit den Rosetten in Gold, der Kernpunkt in Silber, das
Passendste sein.

Die Zeichnung zu diesem Antipendium verdanken wir dem in der
katholischen Kunstwelt rühmlichst bekannten, tief christlich denkenden
und fühlenden Künstler, Herrn Professor Klein in Wien; die Schwestern
vom armen Kinde Jesu in Döbling bei Wien haben dasselbe mit
großent Fleiße und Geschicke ausgeführt.

Das Marien-Äntipendium am Mai-Ältar im Zt. Stephans-
Dome zn Men.*)

Die Bilder dieses Antipendiums sind einer Zeit entnommen, wo
noch die christlichen Künstler aus den Werken der heiligen Väter und
Lehrer schöpften und unter dem Einflusse der Kirche ihre Werke schufen.

*1 Nach I. Roller, f. e. Kurpriester bei St. Stcphan in Wien.

Die Tafel 58 zeigt unser Antipendium im kleinen Maßstabe zur Orientirnng
bei der Zusammenstellung dcr einzelnen Stücke. — Die Zeichnnngen b, e und ck
sind Muster für Stickereien auf Pallen, in Seide oder Lcinengarn mitteist Stielstich
ausznführen.

Damals half auch die Kunst mit an der Ausbreitung des Reiches
Gottes, und wer damals nicht zu lesen verstand, konnte im sinnreichen
Bilde die Wahrheiten seines Glaubens dargestellt sehen. Das er-
klärende Wort der Predigt half zum Verständnisse.

Unser Antipendium zieren eine Anzahl von Typen und Sinn-
bildern, die in ergreifender Weise die Herrlichkeiten und Gnadenvor-
züge Mariens verkünden; allein sie müssen erklärt werden.

Dieses erklärende Wort zum allgemeineren Verständnisse unseres
Marien-Antipendiums in schlichtester Weise zu sprechen, ist Aufgabe
dieser Zeilen.

Das Marien-Antipendium, womit der Maialtar im Stephans-
Dome geschmückt ist, zerfällt in drei Felder, von denen das mittlere
als das reichste und bedeutungsvollste zuerst das Auge des Be-
obachters fesselt.

Vor Allem fällt uns in demselben das Bild der Himmelskönigin
auf. Sie erscheint in sitzender Stellung nach jener Schilderung, die uns
der hl. Johannes in seiner Apokalypse mit folgenden Worten gibt:
„Und es erschien ein großes Zeichen im Himmel: Ein Weib mit der
Sonne bekleidet, den Mond unter ihren Füßen, und auf ihrem Haupte
eine Krone mit zwölf Sternen." Jn der rechten Hand hält sie das
königliche Szepter, mit der anderen berührt sie leicht das Horn eines
schlanken, einem Reh ähnlichen Thieres, das sich in ihren Schooß
flüchtet und mit sanftem frommen Blicke zu ihr aufschaut.

Der übrige Raum ist mit einem Rosenornamente ausgeschmückt,
in welches mehrere auf die Mutter Gottes bezügliche Vorbilder des
alten Testamentes, wie auch einige Sinnbilder aus der lauretanischen
Litanei eingeflochten sind.

Geheu wir zuerst daran, das Bild der Jungfrau mit dem Ein-
horne zu erklären.

Die Juugfrau mit dem Einhorne.

Den Schlüssel zur Erklärung dieses Bildes gibt uns die im
Jnneren der Sonne angebrachte Umschrift: „Ucmooerrw korinain
ÜAurat Llliristi äs sanotwmmg, Virgins gsniti." Das heißt zu deutsch:
„Das Einhorn bezeichnet Christum, geboren aus der allerheiligsten
Jungfrau." Dieses Bild will uns also die Menschwerdung des Heilandes
aus Maria der unbefleckteu Jungfrau versinnbilden.

Um uns nun dies zum klareren Verständnisse zu bringen, ist es
nothwendig, die Sage vom Einhorne und dessen sinnbildliche Anwen-
dung auf Christus näher kennen zu lernen.

Die alten Thierbücher (klpssiologsn) erzählen uns hierüber

Folgendes: „Das Einhorn ist ein kleines Thier, nicht unähnlich
 
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