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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 1
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Kunstausstellungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0048

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dass die Monumentalmalerei einstmals sein wahres Ge-
biet sein würde. Von hier aus steigert er seine Kunst,
auch die Landschaften und die Innenbilder, zu immer
einfacherer und grösserer Komposition, zu immer
klarerer Reinheit des Auf baus und zu immer härterer
Energie des Ausdrucks — bis dann, in den neunziger
Jahren, die grossen Wandbilder, „Die Lebensmüden",
die „Nacht", die „Enttäuschten" und „Eurythmie" da-
stehen und er nun die Kraft in sich fühlt, wirkliche
Monumentalgemälde, wie den,,Rückzug der Schweizer"
und die Einzelfiguren der „Eidgenossen" für die Schwei-
zerische Landesausstellung von 1896 zu schaffen. Seit
dieser Zeit wird sein Stil zum reinen Flächenstil, auf
dem Wege, den er zuerst mit dem „Auserwählten"
beschritten hatte. Nun geht er auch dem Problem der
Rhythmisierung energisch zu Leibe — schon der Titel
des einen Gemäldes, mit den schreitenden Männern,
„Eurhythmie" genannt, zeigt, dass es ihm nun wesentlich
auf die Durchdringung des Formproblems ankommt.
Rhythmus von innen, von der Empfindung heraus, liegt
Hodler eigentlich nicht. Er ist kein Mann der Bewegung.
Sein Rhythmus ist Konstruktion und Wille, und sein
Schaffen bekommt, von diesem Standpunkt aus gesehen,
manchmal zum Beispiel in der „Nacht" etwas von jener
Dämonie, die Signorelli so gross und so einseitig macht.
Dieses Streben nach Klarheit der Konstruktion und nach
Einheitlichkeit des Rhythmus kennzeichnet alle Werke
der letzten zwanzig Jahre in Hodlers Schaffen, einerlei
ob es sich um grosse Komposition, um Landschaft, um
Einzelfigur, um Bildnis oder um Ausdrucksköpfe handelt.
Sein Werk zeigt eine grossartige Besessenheit und eine
Ausschliesslichkeit, eine Konzentrierung, die wir, auch
wenn wir sie nicht lieben, doch bewundern müssen.
Es handelt sich dabei doch um Schöpferisches, sosehr
es auch mit Opfern erkauft wird. Schliesslich ist keiner
imstande, einen Körper in seiner Struktur und seinem
Organismus nach (vielleicht äusserlichen) rhythmischen
Gesetzen so blosszulegen und seine Funktion so fühlbar
zu machen, wie Hodler. Sicher verfügt er nicht über
jene Geistigkeit wie Münch, dem er manchmal, auf
den ersten Blick gesehen, ähnlich scheint und keinesfalls
bringt er das Maass an seelischem Ausdruck auf, das
van Gogh in seinen grössten Werken gelang. Aber im
Reiche der neuen Kunst gehört er zu ihnen, als der

gewaltige Sturmheld, der den menschlichen Körper, als
Formenausdruck betrachtet, neu erobert und der neue
Symbole für das Landschaftsempfinden unsrer Zeit hin-
stellt. Mag diese Menschenkörperkunst im Quattrocento
ihre Ahnen haben, mag dieses Landschaftsempfinden
geographisch und national begrenzt sein, als neue Form
ist auch dies etwas Grosses, und er gehört irgendwie
zu diesen beiden anderen herrlichen Barbaren.

Was er dabei opferte, geht zunächst nurdasGeheim-
nis seiner persönlichen Tragik an. Alle malerische
Sensibilität ist in ihm ausgelöscht, alles was für uns die
Dinge dieser Welt schön macht, Luft und Fatbe und
Atmosphäre, der sinnliche Reiz, Glück und Glanz unsres
Erdendaseins, existiert nicht mehr für ihn. Seine Welt
ist ein luftleerer Raum ohne Schatten und seine Kunst
ist eine Freude für die Augen nur summarisch, nur in
Bausch und Bogen, nur grossdekorativ genommen. Und
seine Einzelform wird immer allgemeiner, das Detail
immer felsiger und unbewegter. Es geschieht bei ihm
heute nicht mehr, dass man beglückt wird von der
Feinheit, mit der ein Gelenk, das plastische Volumen
eines Kopfes, die Drehung eines Halses, der Blick,
das Blicken eines Auges empfunden wurde. Keine
Zärtlichkeiten mehr, nur noch Konstatierungen und
Energien. Die grosse, einstmals schöne Linie seiner
Komposition erstarrt langsam. Wie das weitergehen
soll und weitergehen kann, weiss man noch nicht. Aber
angesichts der Riesenleistung, die sein Gesamtwerk
heute darstellt und der leidenschaftlichen Energie, mit
der dieser Künstler gekämpft hat, fühlt man, dass es
innen noch glüht und dass er noch Neues zu sagen hat.
Das Goethewort, das sich heute, bei der Bilanz dieser
Ausstellung, einem auf die Lippen drängt, das Faust-
wort:

„Weh, weh, Du hast sie zerstört die schöne Welt.

Ein Halbgott hat sie zerschlagen"
hat wohl noch keine endgültige Bedeutung für ihn.
Mag er rund um sich herum alles vernichten, wie der
Landsknecht, den er einst so gerne dargestellt hat, er
ist doch nicht nur Landsknecht, sondern auch ein Feld-
herr, der aus dem Ruin noch Neues zu organisieren
imstande sein wird. Seine nächsten Werke, an denen
er arbeitet, werden es zeigen und zu neuer Betrachtung
Anlass geben. Emil Waldmann.

BERLIN IN DÜSSELDORF

Wie der Krieg in manch anderer Beziehung aus
der Not eine Tugend gemacht hat, so kann der
eigenartige, vonProfessor Max Schlichting ausgegangene
Gedanke, die Grosse Berliner Kunstausstellung diesmal
in Düsseldorf vorzuführen, nachdem die Heeresver-
waltung den Glaspalast am Lehrter Bahnhof für ihre
Zwecke in Ausspruch genommen hatte, als ein

glücklicher bezeichnet werden, weil der Berliner Be-
such in der rheinischen Kunstmetropole nicht nur die
Künstler beider Städte miteinander verknüpft, sondern
auch beiden Städten zum Vorteil gereicht. Und dass es
möglich wurde, in wenigen Wochen aus dem von über
zweihundert Betten belegten Lazarett im städtischen
Kunstpalast ein wohnliches, ja prächtiges Ausstellungs-

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