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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Walter Bondy
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0165

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WALTER BONDY, HERRENBILDNIS

sie werden nie ihrer selbst wegen gemalt. In dem
Künstler ist eine wohlabgewogene Mischung von
Tradition, die sich auf alles, nicht nur auf die
Malerei, erstreckt und von Vorurteilslosigkeit und
Unbefangenheit. Die Natur setzt den Maler nicht in
Verwirrung, aber er sieht sie trotzdem nie — oder
doch fast nie — konventionell. Und diese Mischung
befähigt ihn ein guter Auftragsmaler zu sein.
! Das ist nichts geringes. Vor allem in unserer Zeit,
wo über einen Auftrag so viele Künstler stolpern, wo
es Bildnismaler, denen man eine Dame anvertrauen

kann, kaum noch giebt, wo
jedes kleine Talent meint, es
handle unsittlich,wennesnicht
immer aus der Tiefe des Ge-
mütes schöpfe und wo in den
Ausstellungen die Bilder zu
schreien scheinen: hier stehe
ich, ich kann nicht anders!
Eben solche Maler, die ihr
Talent nicht für etwas Un-
erhörtes und Mystisches hal-
ten, die getreue Schüler der
Tradition sind und sich in
aller Stille vervollkommnen,
die das Handwerk um seiner
selbst willen ehren und die
den schönen Ehrgeiz des Kön-
nens und die rechte Künstler-
freude am Technischen haben,
müssen wir sehr willkommen
heissen. Ein Handwerker der
Form wie Bondy kommt in
aller Bescheidenheit dem End-
gültigen vielleicht näher als
die vergrübelten Jünglinge
von Sai's, die kein Sakrileg
scheuen, um hinter das Ge-
heimnis der Kunst zu kom-
men, obwohl seiner gepfleg-
ten Form die Grösse fehlt,
obwohl seinen Bildern auch
etwas Trockenes und Luft-
loses eigen ist, und obwohl
seinem Talent ganz bestimmte
Grenzen gesetzt sind. Diebeste
Kritik seiner Kunst liegt vielleicht darin, dass man
ihn mit gutem Gewissen als Bildnismaler in der
Gesellschaft empfehlen kann, wenn eine Dame zu
wissen wünscht, wer sie malen könnte, ohne sie in
ein Embryo, eine Hekate oder Somnambule zu ver-
wandeln. Bondy hat den Mut einfach und ver-
ständlich zu sein, seine Malerei hat den Mut der
Tradition — aber er ist in keinem Punkt subaltern.
Es wäre zu wünschen, dass seine Fähigkeiten und
Gesinnungen in Deutschland bezeichnend wären
für ein Niveau.

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