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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 4
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Chronik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0167

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BUND DER FREUNDE DEUTSCHER KUNST

Vor uns liegt ein Rundschreiben dieses am 18. Ok-
tober in Leipzig begründeten neuen Bundes, vor der
Gründung verschickt vom geschäftsführenden Ausschuss,
den Herren Dr. Fritz Traugott Schulz, Nürnberg, Ar-
thur Dobsky, Leipzig, Dr. Robert Volz, Berlin.

„Die erste und vornehmste Aufgabe des Bundes
soll sein, ausschliesslich rein deutscher und abgeklärter
Kunst zu dienen und dafür zu sorgen, dass dieselbe
wieder das Ansehen erlangt, das ihr zukommt. Wenn
auch, das sei nicht verkannt, manche unserer kunst-
fördernden Vereine Gutes erstrebt und erreicht haben,
so beweisen doch die thatsächlichen Verhältnisse, dass
es in dieser Beziehung noch viel zu thun giebt. Ohne
sich auf weitschweifige Paragraphen festzulegen, soll
es die Aufgabe des Bundes sein, allen unguten Erschei-
nungen unsres Kunstlebens nachdrucksvollst entgegen-
zutreten und dahin zu wirken, dass an Stelle der Ver-
himmelung fremder Kunst die Würdigung deutscher
Kunst und Künstler tritt, die allein schon vom natio-
nalen Standpunkt aus Ehrenpflicht sein muss."

In einigen andren Absätzen des Rundschreibens,
die in noch schlechterem Deutsch abgefasst sind als die
angeführten Sätze, wird vor Futurismus und Expressio-
nismus gewarnt und behauptet, das Treiben der extra-
vagant Modernen und ihrer Helfershelfer sei auch
während des Krieges unbeirrt fortgesetzt worden.

Das Rundschreiben trägt eine grosse Anzahl von
Unterschriften von Künstlern, Kunstfreunden und
Kunstschriftstellern. Die Künstler überwiegen bei
weitem, der einzig wirklich bedeutende Name in ihrer
Zahl ist Hans Thoma. Man fragt sich, wie denken sich
die Herren die Sache eigentlich? Glauben sie wirklich,
dass mit Künstlerprotesten etwas erreicht wird? Kann
sich ein Akademieprofessor im Ernst vorstellen, dass
ein junger Mann, der nun einmal Dinge macht, die von
denFreunden deutscher Kunst als „extravagantmodern"
gebrandmarkt werden, auf solchenProtest hin nun in sich
geht und sagt: „Ich will es nicht wieder thun!'1 Oder
dass Herr Bernhard Koehler in Berlin (beispielsweise) und
Herr Kirchhoff in Wiesbaden nun einen Schreck be-
kommen und sagen: „Um Gottes willen, wir haben ja
gar nicht gemerkt, dass das, was wir da gekauft haben,
ungut und undeutsch ist; also schnell fort damit?"
Oder dass ein Kunstschriftsteller, der sich um die Er-
kenntnis dieser noch im Werden begriffenen Dinge be-
müht, dankbar darüber aufatmet, dass ihm durch dieses
Rundschreiben nun endlich und plötzlich beigebracht
wird, „was wirklich Kunst ist?" Ich glaube, die Herren
stellen sich die Sache etwas zu einfach vor. Die jungen
Künstler sind sehr merkwürdige Leute. Sie haben die
unangenehme Angewohnheit, das, was sie da an extra-
vagantem Modernismus in die Welt setzen, mit ihrer
moralischen Überzeugung zu vertreten; sie können
gar nicht anders malen, auch wenn sie Herrn Professor

Haeckel den Gefallen gerne thun würden. Und die
Sammler, die das kaufen, finden das schön oder bedeu-
tend oder interessant, und die Schriftsteller, die darüber
schreiben, möchten sich gerne klar darüber werden, was
das nun alles zu bedeuten hat.

Der König von Bayern sah sich neulich in der
Münchener Freien Sezession die Bilder der Expressio-
nisten an. Ich glaube nicht, dass er sie sehr gerne
leiden mochte, jedenfalls hat er nichts gekauft. Er stand
vor einem Gemälde, das ihm nicht viel sagte, suchte
sich hineinzusehen, aber vergebens, schwieg eine Zeit
lang und sagte dann zu seiner Begleitung: „Der Mann
malt halt so."

Mehr, glaub ich, kann man überhaupt nicht gut sagen,
wenn man kein Kritiker ist. Die Expressionisten malen
nun einmal so und nicht anders, da hilft kein Zureden.
Und ebensowenig wie es Zweck hat, Herrn Ihoma
darum zu ersuchen, nun endlich einmal ein bisschen
expressionistisch zu malen, weil man heute nicht so
wie Hans Thoma male, ebensowenig hat es Aussicht
auf Erfolg, Herrn Casper nahezulegen, sich, wenn er
Gemälde komponiert, bei Herrn Professor Herman Prell
Anregungen zu holen. Man muss die Kunst gewähren
lassen und ihr keine guten Ratschläge geben. Auswüchse
stossen sich von selbst wieder ab, das besorgt die Zeit
allein, ohne Führung. Was aber deutsch ist in der
Kunst, das kann man niemand vorschreiben, das findet
sich auch erst mit der Zeit. Liebermann gilt bei vielen
als undeutsch; Wihelm Bode, gewiss kein leidenschaft-
licher Parteigänger der Moderne, hat ihn einmal für
unsren deutschesten Künstler erklärt. Hans Thoma
gilt bei vielen als der echteste Vertreter des Deutsch-
tums in der Malerei. Aber er selbst hat anerkannt, dass
er den Franzosen viel verdankt und er war bekannt-
lich der erste, der Eduard Manet in Deutschland pries.
Kann man wirklich vor den Werken eines Dreissig-
jährigen behaupten, „dies ist deutsch" und „dies ist
undeutsch"? Das sind doch einstweilen alles müssige
Fragen, für deren Beantwortung keinesfalls ein Verein
befähigt sein dürfte, dessen Schriftführer noch nicht
einmal Deutsch schreiben kann. „Ohne den auch heute
noch geltenden Satz von der Inrernationalität und
Freiheit der Kunst in seiner ganzen Bedeutung unter-
schätzen zu wollen, hat man zusehen müssen, wie unter
dem Schutze dieses Dogmas die deutsche Kunst durch-
setzt worden ist von fremden Einflüssen, wie die
Begriffe dessen, was wirklieh Kunst ist, immer unklarer
geworden sind," usw.—Wer derart elendes und grammati-
kalisch falsches Deutsch in die Welt hinausgehen lässt,
(und es giebt in diesem Rundschreiben noch ähnliche
Sätze, die auf derselben untersten Stufe oberflächlicher
Denkarbeit stehen) hat kein Recht, andren Menschen
die „Begriffe dessen, was wirklich deutsch ist," beizu-
bringen. Aber schliesslich, wer so unklar denkt, warum
sollte der plötzlich klar schreiben?

Emil Waldmann.

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