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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 4
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Scheffler, Karl: Ernst Barlach
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0171

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Bildschnitzer im Genrehaften verlieren müssen. Das
Bedeutende und Einzige der Begabung, die Barlach
heisst, besteht in der Fähigkeit, innere Vorgänge in
Formen zu verwandeln, die ihrerseits dieselben Emp-
findungen hervorrufen, in der Fähigkeit den Dichtungen
der Seele ein lebendiges Formenkleid zu weben. Leider
lässt sich über diese Form, über ihr Wesen und ihre
Entstehung, also über das Entscheidende, etwas durch-
aus Aufklärendes nicht sagen. Man kann darauf hin-
weisen, dass Barlach von Millet nie ganz los gekommen
ist, dass er mit Nutzen gotische und japanische Plastik
studiert hat, dass der Anblick russischer Volkstypen
für ihn entscheidend geworden ist und dass die Ein-
fachheit seiner Form auf dem Boden der genauesten
Naturkenntnis wächst; man kann sprechen von der Ge-
schlossenheit der Massen, von der altmeisterlichen
Weisheit, womit oft in grosse glatte Flächen unendlich
lebendige Licht- und Schattenakzente von Händen und
Köpfen gesetzt sind, von der Beseelung und Ausdrucks-
kraft der Form und von der Erhöhung des Prole-
tarischen zum grotesk Monumentalen; es Hesse sich

manches sagen über das sinnliche Geführfür die'Materie,
über die vom Holzmaterial und der Technik geschaffene
Haut, worauf merkwürdige Bronzelichter spielen, über
Rundplastik und Relief und über die soliden Hand-
werkstugenden dieser Kunst — man wäre damit aber
der Form und ihrem Geheimnis im wesentlichsten nicht
viel näher gekommen.

Eine Bildnisbüste in glasiertem Ton weist darauf
hin, wie erfolgreich Barlach auch als Porträtist sein
würde. Dieses eine Beispiel ist ein Meisterwerk.
Aber „Visionäre" solchen Grades sind immer grosse
Realisten.

Eine Schule wird Barlachs Stil wahrscheinlich nicht
zeitigen. Formen dieser Art müssen leer werden, wenn
nicht ebenso lebendige Persönlichkeiten sie jedesmals
spontan von neuem erschaffen. Wahrscheinlich bleibt
die Holzbildwerkerei Barlachs eine Episode. Aber das
ist kein Einwand gegen diese wie aus dem tiefsten
Volksgefühl hervorbrechende Kunst. Das Beste in der
deutschen Kunst ist in eben diesem Sinne oft Episode
gewesen. Karl Scheffler.

ERNST BARLACH, SCHLAFENDER RUSSISCHER BAUER
MIT ERLAUBNIS VON PAUL CASSIRKR

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