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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 6
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Eberstadt, Rudolf: Eine Dorfsiedelung des achtzehnten Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0242

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Platzanlage, die wir aus verschiedenen Gründen
genauer zu beachten haben. Der Platzgrundriss
hat die Gestalt eines Achteckes, jener „symme-
trischen Platzform", die der landesfürstliche Städte-
bau in Preussen mehrfach anwandte; es sei erinnert
an das von Friedrich Wilhelm I. zum Abschluss der
Friedrichstadt in Berlin angelegte „Achteck", den
heutigen Leipziger Platz. Der Schlossplatz ist es
ferner, der den Grundstock für den später zu er-
örternden Ausbau der Siedelung abgab. Die um-
liegenden Gebäude, die die Wohnungen für Gäste,
für Beamte und Dienerschaft enthielten, fanden
hierbei eine in ihrem ursprünglichen Zweck kaum
vorgesehene Verwendung. Die Anlage des hinter
dem Schloss gelegenen Gartens, die die symme-
trische Architektur in den rechteckigen Abschnitten
mit ihren hohen Einfriedigungen wiederholt, ist
gleichfalls der Betrachtung wert und bietet einen
guten Beitrag zu der damaligen Geschmacksrich-
tung in der Behandlung der Gartenanlagen.

Nicht lange hat die Zeit glänzenden Lebens in
Friedrichsthal vorgehalten. Unter dem Nachfolger
Friedrichs I. wurde der Schlossherrlichkeit ein rasches
Ende bereitet. Es entsprach den Anschauungen
Friedrich Wilhelms I., dass er auf Friedrichsthal nicht
nur keine Ausgaben leisten, sondern aus dem Besitz
nützliche Einnahmen erzielen wollte. Er verpachtete
demnach Schloss, Marstall und den ganzen Guts-
bezirk, und der Hofhalt schied endgültig aus
Friedrichsthal, das nunmehr wiederum in einen
neuen Abschnitt seiner Entwicklung eintrat.

Friedrich Wilhelm I. hatte das ländliche Sied-
lungswesen durch die Ausgestaltung der Verwaltungs-
einrichtungen, durch die Hereinziehung landes-
fremder Zuwanderer und durch Urbarmachung
weiter Landesstrecken mächtig gefördert. Die Re-
gierung Friedrichs des Grossen steigerte die Lei-
stungen für die Besiedclung des flachen Landes und
entwickelte die innere Kolonisation zu einem
Hauptgebiet der Verwaltungsthätigkeit. Alsbald nach
dem Regierungsantritt erliess der König Edikte, um
„Ausländer" — worunter alle Nicht-Preussen zu
verstehen sind — zur Niederlassung im Königreich
einzuladen, unter Zusicherung hoher Freiheiten und
Vorteile. Aber auch den „Einländern" sollte die
ländliche Ansiedlung ermöglicht werden, für die bei
dem grossen Umfang des stehenden Heeres nament-
lich die ausgedienten Soldaten in Betracht kamen.
Ein Edikt vom 14. Januar 1748 weist daraufhin,
daß die bei den Regimentern in Reih und Glied
stehenden Landeskinder nach ihrer Entlassung in

die Kantons (Bezirke) zurückgehen und sich dort
niederlassen könnten; wogegen „Majestät zu ihrem
Mißfallen vernehmen mußte, daß solche Landes-
kinder nicht etabliret, sondern in die Irre herum-
gegangen und wohl gar sich ausser Landes begeben
haben." Für die Förderung der Ansiedlung wurden
umfassende Maßnahmen verfügt. Die Kriegs- und
Domänenkammern arbeiteten mit ihren weitgehen-
den Machtbefugnissen für das Siedlungswesen; vor
allem aber bethätigte sich der König selber in einem
unermüdlichen Eifer, der während der langen Re-
gierungsdauer auch unter den Kriegsjahren niemals
nachliess, in der Fürsorge für die „Peuplirung" des
Landes.

Zu den Bezirken, die für die Anlage einer Sied-
lung in Aussicht genommen wurden, zählte unser
Friedrichsthal, und zwar handelte es sich zunächst
um die Schaffung einer rein bäuerlichen und land-
gewerblichen Niederlassung. Durch Erlass vom
19. Dezember 1749 wurde dem Amtmann Kienitz
aufgegeben, „fremde Leute herbeizuschaffen, mit de-
nen die Vorwerksgebäude in Friedrichsthal, wenn sie
zu Familienhäusern aptiret, besetzt werden können."
Schon in den nächsten Monaten (Februar 1750)
fand sich aus dem Anhaltischen eine Abordnung
„der sich in den königlichen Landen niederlassen
wollenden Familien" ein; aber die Verhandlungen
führten zu keinem Ergebnis.* Nunmehr verfügte
die Königliche Kammer, dass vor allem mit dem
Umbau der vorhandenen Baulichkeiten und ihrer
Herrichtung für die Kolonistenzwecke vorgegangen
werde; die peinliche Ordnung der preussischen
Rechnungsführung gestattet uns, im einzelnen zu
verfolgen, in welcher Weise die alten Schlossbauten
zu einer bäuerlichen Siedelungumgewandeltwurden.
Der Voranschlag zeigt, dass man sich auf eine
praktische und sparsame Bauweise verstand. Zu-
nächst wurden die beiden Marstallgebäude rechts und «
links des Schlosses zum grossen Teil abgebrochen,
die Dachsteine der langgestreckten Rechtecke wur-
den etwa zurHälfte nach Oranienburg übernommen,
die übrigen verkauft,während das sonstige Abbruchs-
material für die Neubauten an Ort und Stelle Ver-
wendung fand. Von den den Schlossplatz umgeben-
den Dienst- und Beamtenhäusern unserer Abbildung
(S. 233) wurden die sechs freistehenden durch
Teilung und Hinzufügung von Anbauten zu zwölf
Doppelhäusern erweitert, während aus den übrigen

* Der Bericht über die Verhandlungen mit dem Anhal-
tischen Abgesandten stammt vom um die Anlage neuer Siede-
lungen verdienten Kriegsrat Pfeiffer; siehe auch unten.

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