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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 6
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Elias, Julius: Ulrich Hübner
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0247

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wo eine Schule gefestigter
Landschaftsmaler Leben
und Lehre zu neuer Bot-
schaft verband. In Karls-
ruhe nämlich, das in ma-
lerischer Jungfräulichkeit
prangte, war man auf
einen Gedanken gekom-
men, den man eigentlich
in München hätte ver-
wirklichen müssen, den
Schülern Adolf Liers, des
hingegebenen Barbizon-
jüngers, Stellungen zu
geben. Man zog Schön-
leber und Baisch herein,
denen sich Kallmorgen
anschloss; später bemühte
man sich um Zügel und
Pötzelberger, und bald
stiess auch Weishaupt zu
den andern. Der ganze
Pomp der guten, an auf-
geregtem Lebensgefühl
erwärmten Münchener
Stimmungslandschaft be-
gann sich in Karlsruhe zu
entfalten; zugleich aber

führte Carlos Grethe, in freierer Vorahnung, Elemente
des Monetschen Luminismus ein.

Ein jeder dieser frischen Maler hatte auf der weiten
Gotteserde sein Lieblingsgebiet, auf dem er mit froher
Beharrlichkeit immer wieder schwärmte. Der eine liebte
die Verschwiegenheit des Waldes, seine sonnigen oder
taufeuchten Lisieren und melancholischen, grünenden
Teiche; ein anderer die Ebene mit den tiefen Hori-
zonten und dem schimmernden Duft der Fernen; ein
dritter wellige Striche, Hügelland, Haide mit schweren
Schatten und grellem Licht; ein vierter üppige Getreide-
felder mit warm streichender Luft oder lauschige Gär-
ten; die helle Heiterkeit der Natur, ihr Erwachen dieser
— ihren tiefen schlichten Ernst, ihr Sterben jener. Ein
fünfter geht in den grossen Städten den Spuren der
Landschaft nach, ein sechster schätzt die künstliche
Parknatur. Wieder ein anderer ergreift auf der Berges-
höhe schöne Panoramen von blitzhaft sich streckenden
Flüssen, bunten Gartengeländen, eingebuchteten Städt-
chen, Kirchturm, Gehölz und rhythmisch wechselnden
Feldern. Den meisten aber genügt ein betont einfaches
Eckchen Natur, ein nicht sehr umfassendes Motiv.
Merkwürdig, wie allen diesen Leuten, deren ganze
Naturanschauung in Fontainebleau Wurzel hatte, den-
noch — in ihren besten Tagen — ein niederdeutsch
gefärbter Zug eigen war. Nicht nur in der Art, wie
sie das breitgestirnte Herdentier oder das wollige Schaf
in die Landschaft setzen — auch wie sie Wasser malen

ULRICH HÜBNER, AM GLIENICKER SEE

und Strandmotive abrunden, wie sie träumerisch in die
Weite blicken oder ganz robust den Geruch der Erde
suchen. Als Schüler Pötzelbergers, Carlos Grethes und
Schönlebers tritt Hübner in diesen Kreis ein, ordnet
sich vier Jahre lang disziplinierten Stil- und Formkünsten
unter und verbringt ungebundenere Sommerarbeitstage
in der Maxauer Rheinebene.

Nicht Schablone, aber doch Vorbild; nicht Zwang,
aber doch Schule. Zwar Natur, aber doch distanziert
und in einer neuen Art heroisch und pittoresk gesehen.
Die Stimmungslandschaft wird im Lauf der Entwicklung
genau so gute oder so schlechte Theoriemalerei wie
jede deutsche Landschaftsschule vor ihr. Mit den Mit-
teln, die ihnen zu Gebote stehen, geben diese Maler ein
Abbild der Erde, doch der Erdgeist spricht nicht. Der
wärmere Pulsschlag des Südens, seine fortgeschrittene
künstlerische Triebkraft hatte diesenHübner angezogen;
er fühlt nun das wenig Individuelle seiner Malerei,
fühlt, dass er nicht dorthin gehöre; fühlt, dass sein ab-
gekühlteres Naturell nur im Norden zu einer Art Per-
sönlichkeit gedeihen könne. Nicht Lebensüberschwang,
sondern Spartanismus liegt in seinem Wesen. Der Märker
repatriiert sich. Die Zwischenspiele England und Hol-
land zählen kaum. Auf der Linie Potsdam-Hamburg-
Lübeck-Warnemünde liegt fortan seine Welt.

Er wanderte — nicht, wie jemand meinte, als
„Tourist", der seine Formel atmosphärischer Malerei
wie in einem Koffer bei sich trug und, mit fester

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