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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 7
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Plietzsch, Eduard: Erwerbungen der Berliner Gemäldegalerie seit 1914
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0287

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Züge trägt, wurde die Vermutung geäussert, dass der
geistige Akzent der Komposition gar nicht auf der
konventionell aufgefassten Venus, sondern auf dem
Manne liege. Man hätte dann in den Bildern Porträts
venezianischer Kavaliere zu sehen, die sich mit einer
als Göttin der Schönheit
gekennzeichneten Gelieb-
ten darstellen Hessen. Die-
ser Auffassung würde das
Berliner Exemplar nicht
widersprechen. Der Or-
gelspieler hat charakte-
ristische Porträtzüge, ohne
dass es bisher gelungen
wäre, ihn mit einer bekann-
ten Persönlichkeit über-
zeugend zu identifizieren;
an seiner Gestalt lässt der
Maler seine Mittel zu höch-
ster Schönheit zusammen-
wirken; Das Kostüm ist
breit und frei wie Spät-
werke Rembrandts ausge-
führt, an die auch die Zu-
sammenstellung des fun-
kelnden goldenen Dolch-
griffesmit rotbraunem Samt
und Goldbrokat erinnert.
Das wollige Fell des Hun-
des, die unteren Partien
der dunkelroten, grünge-
fütterten Decke über den
weissen Betten, die Gestalt
des Mannes lassen an der
grosszügigen und energi-
schen Pinselführung deut-
lich die „Handschrift" Ti-
zians erkennen. Die geist-
reich ausgeführte, weich
und verrieben behandelte
Landschaft, die farbig in
grauen, schwermütigen
Wolken und in dem tiefen
Blau der fernen Berge aus-
klingt, erinnert an die Land-
schaft im Hintergrunde des
gegen 1550 geschaffenen
CasselerAquaviva-Porträts.
Auch unser Bild muss um
1550 entstanden sein. Da
in der Berliner Galerie die-
ser oberitalienische Bildtyp noch nicht vertreten war,
so rundet das Gemälde nicht nur den Besitz an Werken
Tizians aufs glücklichste ab.

Zwei schmale Altarflügel mit stehenden Heiligen
von Lorenzo Veneziano, die auf einer Auktion bei

BÖHMISCHER MEISTER UM 1360, KREUZIGUNG
NEUERWERBUNG DES KAISER-FRIEDRICH-MUSEUMS

Lepke vorkamen und sich als zugehörige Teile zu zwei
vor zwölf Jahren aus dem englischen Kunsthandel er-
worbenen Flügeln erwiesen, und ein malerisches,
schwungvoll und kräftig heruntergemaltes Selbstporträt
Piazzettas schliessen sich als die belangreichsten neu-
erworbenen italienischen
Gemälde an.

Aus der Sammlung von
Kaufmann stammt die um
1360 entstandene böhmi-
sche „Kreuzigung Christi"
(Abb). Ganz abgesehen
vom künstlerischen Wert
ist das Bild für Berlin inso-
fern wichtig, als demselben
Meister von Hohenfurt die
sogenannte Glatzer Ma-
donna des Kaiser-Friedrich-
Museums zugeschrieben
wird. Neben dem grossen
feierlichen Madonnenbild
mit dem lichten und zarten
schmückenden Beiwerk
giebt die kleine, stark far-
bige und pathetische „Kreu-
zigung" ein ergänzendes
Beispiel von der Kunst des
Hauptmeisters der früh-
böhmischen Schule.

Von jenem kölnischen
Meisternder den Hochaltar
des Aachener Münsters
malte, rührt eine bunte
und reiche Tafel mit der
„Anbetung der heiligen drei
Könige" her, die aus Main-
zer Privatbesitz stammt.
(Abb.4) Das grosse Bild ist
mit einer Fülle krauser Ein-
zelheiten überladen; es er-
freut durch nette Einfälle
und scharf beobachtete Ein-
zelzüge und bildet mit den
sorgfältig abgemalten Stof-
fen, Waffen und Geräten
eine Fundgrube für den
Kenner des Kunstgewerbes.
Die Farben stehen unge-
brochen hart nebeneinan-
der, ohne dass das Bild un-
harmonisch wirkte. Es hat
den funkelnden Glanz bunter Glasfenster. Vergegen-
wärtigt man sich vor dem um 1500 entstandenen
Bilde die einförmigeren und kraftloseren Arbeiten des

* Max J. Friedländer, „Der Meister des Aachener Altars"
(„Amt!. Berichte", XXXIII p. 222).

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