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Kunst und Künstler: illustrierte Monatsschrift für bildende Kunst und Kunstgewerbe — 16.1918

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Heft 7
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https://doi.org/10.11588/diglit.4745#0295

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und beim Lesen mit hoher Sympathie für Dürer erfüllt.
Es lässt sich das Buch Waldmanns mit einer Arbeit
über Dürer, wie die von Wölfflin, gar nicht vergleichen,
weil beide Darstellungen etwas ganz Verschiedenes
wollen. Es wäre aber zu wünschen, dass, wie hier,
neben den grundlegenden wissenschaftlichen Arbeiten
recht viele Kunstbücher von so edler und konzessionen-
loser Popularität erscheinen möchten. Denn sie erst
machen den Kunstfreund mit den Gegenständen seiner
Verehrung wahrhaft vertraut.

Der zweite Band, der von der geistigen Wesensart
Dürers handelt ist ebenso wie der erste, auf Klarheit
und Deutlichkeit hin angelegt. Wenn der erste aber
allein für sich bestehen könnte, so bedarf der zweite
Band zur Ergänzung des dritten, der die Stilanalyse
geben soll. Man darf gespannt sein, wie Waldmann
die Aufgabe des letzten Bandes — die schwierigste —
lösen wird.

Der Insel-Verlag hat sich durch diese Veröffent-
lichung im Kriege ein Verdienst mehr erworben. Ein
um so grösseres, als der Preis niedrig ist. Die Ab-
bildungen beider Bände genügen als Anschauungs-
material. Die technische Herstellung ist so gut, wie
sie jetzt immer sein kann. Karl Scheffler.

•SS-
Max Picard. Expressionistische Bauernmalerei. Mit
24 Lichtdrucktafeln. München, Delphin-Verlag, 1918-
Es giebt nun schon eine ganze Reihe Schriften über
moderne Kunst und eine mit ihr in Zusammenhang
stehende Literatur über Kunst überhaupt, die besser
unter der Rubrik Theosophie ihren Platz fände. Ihr
Kennwort ist „das Absolute". Was dieser Begriff im
besonderen Falle zu bedeuten hat, entzieht sich der
klaren Definition in einer allgemein verständlichen
Sprache, da die Autoren das Wort nur mit dunklen
Andeutungen zu umgeben pflegen. Entkleidet man es
allerdings des mystischen Weihrauches, so bleibt nicht
viel mehr als eine Negation, dieNegation der natürlichen
Gegebenheit, als eines würdigen Gegenstandes künst-
lerischer Darstellung, wie sie Kandinsky mit einer
immerhin erträglichen Logik gefordert hatte. Aus
dieser Forderung aber nun umgekehrt die notwendige
Unvollkommenheit derjenigen Kunstart, die man als
Impressionismus zu bezeichnen pflegt, abzuleiten, ist

ein billiges Spiel. Und es ist ebenso wahr wie im
Grunde selbstverständlich, dass die Künstler, die man
Expressionisten nennt, auf dem Weltbilde des Impressio-
nismus fussen, wenn auch die scholastischen Wortspiele,
mit denen Picard den einen Begriff aus dem anderen
hervorlocken will, um sie schliesslich beide in dem be-
rühmten „Absoluten" verschwinden zu lassen, eine
nicht gerade tiefsinnige Hexerei bedeuten.

Denn das Wahre ist das primäre Erleben Gottes, so
ungefähr argumentiert Picard. Und dieses wahrhaft Ab-
solute gründe sich bei den Bauernmalern, in deren sehr
harmlose Glasbildchen er eine tiefe Geistigkeit hinein
interpretiert, in einer angeblichen Voraussetzungslosig-
keit, die ihr Gleichnis fände in der Beziehungslosigkeit
der dargestellten Dinge, die nicht durch das Licht und
nicht durch den Raum zueinander in Relation gebracht
werden. Nur dass der Verfasser vergisst, wie diese
Kunst in Wahrheit alles andere als voraussetzungslos,
vielmehr eine Kunst aus zweiter und dritter Hand ist,
formelhaft erstarrte Schemen längst versunkener Ur-
bilder. Aus jedem dieser dürftigen Bildchen schimmert,
dem Wissenden unschwer erkenntlich, ein Kunstwerk
vergangener Jahrhunderte in schwachem Abglanz her-
vor, wie denn überhaupt Bauernkunst und Volkstracht
niemals etwas anderes ist als ein abseits vom Wege er-
halten gebliebenes Stück Kunstübung oder Mode, er-
starrt nur, da es hinaustrat aus dem Strom lebendiger
Entwicklung.

Es soll nicht der Reiz solcher Bauernkunst geleugnet
werden, wenn auch die feierlichen Lichtdrucktafeln
und der monumental gedruckte Text in einem argen
Missverhältnis zu diesen harmlosen Schildereien stehen.
Aber dass nun von uns verlangt wird, in den gewiss oft
ausdrucksvollen Zügen der Gestalten dieser Bauern-
maler eine höchsteErfüllungmenschlicherKunstleistung
zu erblicken, ist eine üble Folge des weitverbreiteten
Wortaberglaubens, wie er selten krasser als aus der
Vorrede dieses Buches spricht. Denn es heisst nichts
über Wert oder Unwert eines Kunstwerkes aussagen,
wenn gezeigt wird, dass es der Definition eines Schlag-
wortes mehr oder minder Genüge leistet. Von solchem
Unwesen einer normativen Ästhetik glaubten wir für
alle Zeiten befreit zu sein, um von den Theoretikern
des Expressionismus aufs neue in alle Untiefen einer
willkürlichen Gesetzmacherei hinabgezogen zu werden.

Curt Glaser.

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